Die Krankenkassen kündigten an, dass der Zusatzbeitrag der Krankenkasse 2025 voraussichtlich erheblich steigen werden. Dieser Zusatzbeitrag soll den Finanzbedarf, der über die Zuweisung aus dem Gesundheitsfonds hinausgeht, decken.
Das Medizinstrafrecht umfasst nicht nur Straftaten, die sich aus dem unmittelbaren Behandlungsverhältnis ergeben können (siehe Blogbeitrag zum ärztlichen Abrechnungsbetrug), sondern erstreckt sich ebenfalls auf den wirtschaftsstrafrechtlichen Sektor: Vertragsärzte entscheiden durch Leistungen und Verordnungen verbindlich über medizinische Voraussetzungen eines Versicherungsfalls. Damit verbundenes Fehlverhalten kann eine Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 StGB begründen.
Verletzt ein Kassenarzt etwa bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln die Vorgaben des sozialrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 I SGB V), kommt eine Untreue nach § 266 Absatz 1 StGB zum Nachteil der Krankenkasse in Betracht. Ob dem Arzt im konkreten Fall eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB zukommt, muss für den jeweiligen Einzelfall gerichtlich festgestellt werden.
§ 266 StGB – Vermögensbetreuungspflicht nach der Rechtsprechung
Die Untreue nach § 266 StGB ist ein reines Vermögensdelikt und schützt das individuelle Vermögen des Treugebers. Das charakteristische Unrecht liegt entweder in der im Außenverhältnis wirksamen, aber im Innenverhältnis pflichtwidrigen rechtsgeschäftlichen oder hoheitlichen Ausübung einer Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis (Missbrauchstatbestand) oder in der Verletzung der sich aus einem Treueverhältnis ergebenden vermögensbezogenen Pflicht (Treuebruchtatbestand). Aus der jeweiligen Tathandlung folgt ein Nachteil für das Vermögen des Treugebers. Nach herrschender Meinung setzen beide Alternativen das Bestehen einer Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Geschädigten voraus. Dem Täter muss die Betreuung fremden Vermögens als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Hauptpflicht obliegen.
Voraussetzung ist somit ein Treueverhältnis zwischen Vermögensinhaber und Treunehmer und eine aus diesem Verhältnis resultierende Pflicht ein fremdes Vermögen zu betreuen.
Zwischen Vertragsarzt und Krankenkasse bestehen keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen. Dennoch begründet die zentrale Bedeutung der ärztlichen Verordnung eine Vermögensbetreuungspflicht des Arztes gegenüber der Krankenkasse und damit einhergehend ein faktisches Treueverhältnis.
Nach der Rechtsprechung obliegt dem Vertragsarzt gegenüber der Krankenkasse bei der Verschreibung von Arzneimitteln eine Vermögensbetreuungspflicht, die sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot der §§ 12 Abs. 1, 70 Absatz 1 SGB V ergibt (BGH, Beschl. v. 25.7.2017 – 5 StR 46/17; BGH, Beschl. vom 16.8.2016 – 4 StR 163/16). Die Ansicht, dass der Vertragsarzt ein „Vertreter“ der Krankenkasse sei, wird heute jedoch nicht mehr von der Rechtsprechung vertreten (BGH, Beschluss vom 25. 11. 2003 – 4 StR 239/03).
Das Gebot der Wirtschaftlichkeit begründet nicht nur eine Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf das Vermögen der Krankenkasse, sondern eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB. Es handelt sich dabei nicht um eine unter- oder nachgeordnete Pflicht.
Der Vertragsarzt konkretisiert die gesetzlichen Ansprüche der Versicherten auf Sachleistungen. Damit hat er Befugnisse, auf das Vermögen der Krankenkassen einzuwirken, die über eine tatsächliche Möglichkeit hierzu weit hinausgehen. Bei der Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebots gehe es zudem um die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung selbst (Steenbreker, in: Saliger/Tsambikakis, Strafrecht der Medizin, § 13 Rn. 12).
Aus der Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsgebots und der Stellung des Vertragsarztes folgt eine Hauptpflicht im Sinne des § 266 Absatz 1 StGB (BGH, Beschluss vom 16.8.2016 – 4 StR 163/16).
Dem Arzt muss aus einer Parallelwertung in der Laiensphäre erkannt haben, dass ihm eine Vermögensbetreuungspflicht oblag, welcher er zuwiderhandelt. Zusätzlich muss er sich zumindest mit der Möglichkeit abfinden, dass sein Handeln das Vermögen der Krankenkasse nachteilig beeinflusst. Eine Bereicherungsabsicht ist – anders als beim Betrug – nicht erforderlich.
Strafbare Handlungen im Detail
Die Rechtsprechung hat folgende Handlungsweisen der Vertragsärzte als strafbare Untreue bewertet:
Der Kassenarzt ist verpflichtet, Heilmittel nur mit medizinischer Indikation zu verschreiben. Erfolgt dies nicht – insbesondere im kollusiven Zusammenwirken mit anderen Leistungserbringern – ist eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 Absatz 1 StGB möglich.
Sogenannte „Kick-Back-Zahlungen“ können eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Krankenkasse begründen. Dabei handelt es sich um unzulässige Geldzuwendungen an Vertragsärzte, die auf einem Vertrag mit anderen medizinischen Leistungserbringern beruhen. Das ist beispielweise dann der Fall, wenn Vertragsärzte durch die Verschreibung bestimmter Medikamente ein Honorar von Medikamentenherstellern erhalten.
Strafrechtliche Konsequenz
Der Untreuetatbestand ist lediglich ein Auffangtatbestand für ärztliches Fehlverhalten mit Vermögensbezug. Das bedeutet, sofern eine Verurteilung nach § 266 StGB ausscheidet, können dennoch weitere Delikte wie beispielsweise Betrug im Sinne des § 263 StGB verwirklicht sein.
Neben der strafrechtlichen Verfolgung drohen Ärzten auch berufsrechtliche Folgen wie dem Widerruf der Approbation oder dem Entzug der kassenärztlichen Zulassung.
Die Kanzlei Burgert Krötz Rechtsanwälte berät schwerpunktmäßig im Medizinstrafrecht. Wir verteidigen regelmäßig Ärzte gegen den Vorwurf der Untreue und wissen, an welchen Stellen erfolgreiche Verteidigungsansätze liegen. Bei der Verteidigung achten wir immer auf mögliche berufsrechtliche Folgen und verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz.