Die Europäische Kommission hat am 03. Mai 2023 ihren Vorschlag für eine Richtlinie zur Korruptionsprävention und -bekämpfung vorgelegt. Kernelemente der Richtlinie sind Präventionsmaßnahmen sowie die Harmonisierung der Definitionen von Korruptionsdelikten und die Verschärfung strafrechtlicher Sanktionen.
Am 13. November 2023 hat der Rechtsausschuss des Bundestages über den Richtlinienvorschlag beraten. In der Kritik stand insbesondere die vom Richtlinienvorschlag vorgesehene Gleichstellung von Amts- und Mandatsträgern und die Vorgaben zum Strafrahmen. Damit zeigt sich, dass das Korruptionsstrafrecht immer mehr in den Fokus gelangt. Dieser Beitrag liefert einen Überblick über die wesentlichen Regelungen des Vorschlags und die möglichen Auswirkungen auf das deutsche Strafrecht sowie im Rechtsausschuss konkret problematisierte Vorschriften.
Neue Definition des Begriffes „öffentlicher Bediensteter“
In Art. 2 Nr. 3 fasst der Richtlinienvorschlag unter den Begriff des „öffentlichen Bediensteten“ Unionsbeamte, nationale Beamte eines Mitgliedstaats oder Drittstaats und Personen, die in einem Mitgliedstaat oder Drittstaat, für eine internationale Organisation oder für ein internationales Gericht öffentliche Aufgaben übertragen bekommen haben und diese wahrnimmt.
Als nationale Beamte sind somit auch Personen mit Gesetzgebungsamt auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene – also Mandatsträger – erfasst. Diese Gleichstellung ist dem deutschen Strafrecht fremd, das zwischen Amts- und Mandatsträgern unterscheidet und dem freien Mandat gem. Art. 38 I S. 2 GG eine besondere Stellung einräumt. Wie sich diese Gleichstellung auf die Strafbarkeit auswirkt zeigt u.a. ein Blick auf Art. 7 des RL-Vorschlags.
Art. 7 – Bestechung im öffentlichen Sektor
Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die folgenden Handlungen unter Strafe gestellt werden, wenn sie vorsätzlich begangen wurden:
a) Handlungen, bei denen jemand unmittelbar oder über einen Mittelsmann einem öffentlichen Bediensteten einen Vorteil jedweder Art für ihn selbst oder für einen Dritten als Gegenleistung dafür verspricht, anbietet oder gewährt, dass der Bedienstete eine Diensthandlung oder eine Handlung bei der Ausübung seines Dienstes vornimmt oder unterlässt (Bestechung);[…]
Das Sonderdelikt der Bestechung erfasst aufgrund der Legaldefinition des öffentlichen Bediensteten in Art. 2 (s.o.) Amts- und Mandatsträger. Art. 7 setzt im Gegensatz zu § 332 Abs. 1 S. 1 StGB keine Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung voraus, auf die sich die Unrechtsvereinbarung beziehen muss. Auch einen ungerechtfertigten Vorteil – wie § 108e Abs. 1 StGB ihn vorsieht – setzt Art. 7 nicht voraus. Dieses Erfordernis ließe sich auch nicht in Art. 7 hereinlesen – so der Sachverständige Prof. Dr. Pohlreich – denn der Vorschlag kenne durchaus die Unterscheidung zwischen einem ungerechtfertigten Vorteil und einem Vorteil jedweder Art.
Es ist also durch die Umsetzung der Richtlinie mit einer erheblichen Ausweitung der Strafbarkeit für Mandatsträger zu rechnen, die bislang unter den Voraussetzungen des engeren § 108e StGB strafbar sind.
Mehrere im Rechtsausschuss angehörte Sachverständige, u.a. die Richterin am BGH Dr. Allgayer, sehen dennoch die Unterscheidung von Mandats- und Amtsträgern im deutschen Strafrecht nicht als gefährdet an. Der Wortlaut lasse einen hinreichenden Umsetzungsspielraum bestehen und in Anbetracht des Schutzzweckes – Schutz der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit – würden die Annahme von Parteispenden oder anderen Vorteilen im üblichen Rahmen nicht berührt.
Straftaten i. S. d. Art. 7 sollen mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens sechs Jahren geahndet werden.
Art. 10 – Unerlaubte Einflussnahme
Mitgliedstaaten sollen Handlungen unter Strafe stellen, bei denen
jemand unmittelbar oder über einen Mittelsmann einer Person oder einem Dritten einen ungerechtfertigten Vorteil jedweder Art als Gegenleistung dafür verspricht, anbietet oder gewährt, dass die Person ihren tatsächlichen oder vermeintlichen Einfluss ausübt, um von einem öffentlichen Bediensteten einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen
Einen vergleichbaren Straftatbestand gibt es im deutschen Strafgesetzbuch derzeit nicht. Im Rahmen der Masken-Affäre wurde dies jedoch bereits als Strafbarkeitslücke kritisiert. Der Forderung nach einer solchen Strafnorm wird durch den Richtlinienvorschlag so zusätzlicher Nachdruck verliehen.
Art. 11 – Amtsmissbrauch
Artikel 11 Nr 1. zielt auf die Strafbarkeit von rechtswidrigen Handlungen ab, die ein öffentlicher Bediensteter in Ausübung seines Dienstes verübt, um sich oder einem Dritten einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen.
Der Sachverständige Prof. Dr. Zimmermann sieht auch und besonders in dieser Vorschrift eine „massive Ausweitung der Kriminalisierung“. Die Umsetzung würde zu einer Kriminalisierung von bisher lediglich als arbeitsrechtliche Pflichtverletzungen zu sanktionierenden Handlungen führen.
Dass Handlungen i. S. d. Art. 11 auch für Mandatsträger strafbar sein sollen, bedeute, dass beispielsweise auch eine rechtswidrige Beschlussfassung in einem Gemeinderat als tatbestandsmäßige Pflichtverletzung in Betracht käme.
Die Mitgliedstaaten sollen den vorsätzlichen Erwerb, vorsätzlichen Besitz oder die vorsätzliche Verwendung eines Vermögensgegenstandes durch einen öffentlichen Bediensteten, der davon Kenntnis hat, dass der betreffende Vermögensgegenstand aus einer Korruptionstat stammt unter Strafe stellen, unabhängig davon, ob derjenige an der Tat beteiligt war.
Besonders problematisch erscheint in diesem Zusammenhang, dass Erwägungsgrund Nr. 16 der Richtlinie von einer „anderen Beweislast“ für den Nachweis der Bereicherung spricht:
„Das heißt, dass bei Strafverfahren zum Tatbestand der Bereicherung bei der Prüfung der Frage, ob die Vermögensgegenstände aus einer wie auch immer gearteten kriminellen Beteiligung an einem Korruptionsdelikt stammen und ob die Person davon Kenntnis hatte, die besonderen Umstände des jeweiligen Falls berücksichtigt werden sollten, wie etwa der Umstand, dass der Wert der Vermögensgegenstände nicht im Verhältnis zum rechtmäßigen Einkommen der beschuldigten Person steht und dass die kriminelle Tätigkeit und der Erwerb von Vermögensgegenständen im selben Zeitrahmen stattgefunden haben.“
„Es sollte nicht erforderlich sein, alle Sachverhaltselemente (…) im Zusammenhang mit dieser kriminellen Beteiligung, darunter auch die Identität des Täters, zu belegen.“
Eine derartige Gestaltung der Beweislast würde zu erheblichen Strafbarkeitsrisiken für Unbeteiligte führen. Für den Nachweis der Kenntnis der sich bereichernden Person würde dann ein zeitliches Zusammenfallen von Tat und Erwerb der Vermögensgegenstände oder die Unverhältnismäßigkeit des Vermögens im Vergleich zum Einkommen ausreichen. Der Beschuldigte käme in die Lage, den Gegenbeweis erbringen zu müssen. Vor diesem Hintergrund ist das Drängen des Sachverständigen Prof. Dr. Zimmermann auf eine Entschärfung dieser Regelung, die insbesondere mit Blick auf die Unschuldsvermutung alarmierend ist, nur zu unterstützen.
Art. 15 Abs. 2 c) sieht für Bereicherungsdelikte eine Mindeststrafe von 4 Jahren Freiheitsstrafe vor.
Vorgaben zum Strafrahmen
Die in Art. 15 Abs. 2 des Vorschlags enthaltenen Vorgaben zur Mindeststrafe wurden im Rechtsausschuss grundsätzlich kritisch gesehen. Die Regelungskonzeption des StGB, die an die Strafgrenze auch das Verjährungsregime knüpft, würde durch die Umsetzung der Vorgaben beeinflusst. Auch Wertungswidersprüche im Vergleich zu anderen Straftaten durch den vermeintlich erhöhten Unrechtsgehalt, den die Strafrahmenerhöhung symbolisiert, seien zu befürchten.
Welchen Änderungen der Vorschlag noch unterzogen wird, bevor es überhaupt zu einer etwaigen Umsetzung in das nationale Recht kommt, wird das weitere Gesetzgebungsverfahren zeigen. Sowohl das Europäische Parlament als auch der EU-Ministerrat müssen dem Entwurf zustimmen.
Die Kanzlei Burgert Krötz wird Sie über das weitere Verfahren auf dem Laufenden halten.