Strafbarkeitsrisiken im professionellen eSport

Der Markt für kompetitives Spielen von Konsolen- und Computerspielen soll einer Prognose zufolge bis zum Jahr 2025 auf knapp 2 Milliarden US-Dollar anwachsen. Rund 490 Millionen Menschen schauten im Jahr 2021 eSport-Veranstaltungen – das waren knapp 6 Prozent der Weltbevölkerung. In Deutschland erreichen die Umsätze einen (im Vergleich dennoch stattlichen) niedrigen dreistelligen Millionenbetrag. Angesichts dieser wirtschaftlichen Ertragschancen erscheint es nur logisch, dass professionelle Sportvereine zunehmend über die etablierten Sportarten hinaus auch eSports-Abteilungen (wie z.B. FC Bayern eSports oder FC Schalke 04 eSports) aufbauen. Dies birgt aber auch strafrechtliche Risiken für Leitungsorgane der Rechtsträger der eSportmannschaften aber auch für die eSportler selbst, die im Folgenden kursorisch dargestellt werden. Weiterhin existiert ein nicht unerhebliches ordnungswidrigkeitenrechtliches Sanktionsrisiko für den Rechtsträger selbst.

Arbeits- und steuerstrafrechtliche Risiken

Der professionelle eSportler kann – unter bestimmten Umständen – sowohl nach Sozialversicherungsrecht als auch nach dem Steuerrecht als Arbeitnehmer bzw. als Angestellter seines Teams qualifiziert werden, sodass das verantwortliche Team zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge und zum Einbehalt, der Anmeldung und der Abführung von Lohnsteuer verpflichtet ist.

Wer Sozialversicherungsbeiträge für beschäftigte eSportler nicht abführt, setzt sich dem Strafbarkeitsrisiko nach § 266a Abs. 1, Abs. 2 StGB aus. Aufgrund des Sonderdeliktscharakters trifft das originäre Strafbarkeitsrisiko aber nur den Arbeitgeber (GmbH, AG) selbst. Der im Falle der GmbH handelnde Geschäftsführer, dem das Arbeitgebermerkmal zugerechnet wird, kann sich als vertretungsberechtigtes Organ nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG strafbar machen. Eine solch weitreichende Zurechnung ist im Falle eines angestellten eSportler nicht vorgesehen. Er kann sich letztlich nur als Teilnehmer des vorgenannten Delikts strafbar machen. Dabei ist die Strafe des Teilnehmers aber zwingend nach § 28 Abs. 1 i.V.m. 49 Abs. 1 StGB zu mildern.

Eine Vorsatzstrafbarkeit gem. § 266 StGB kann ausweislich einer jüngeren Entscheidung des BGH (NStZ 2020, 89) nur dann bejaht werden, wenn der Verantwortliche zumindest aus der Parallelwertung in der Laiensphäre die Wertungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts und damit seine Funktion als Arbeitgeber und die sich anschließende Abführungspflicht nachvollziehen konnte. Ein Irrtum über die Arbeitgeberstellung oder die Pflicht zum Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen ist nun nicht mehr als Verbotsirrtum gem. § 17 StGB (der im Regelfall nur eine Strafmilderung bewirkte) zu werten, sondern stellt mithin einen Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB dar, der die Vorsatzstrafbarkeit endgültig ausscheiden lässt. Daraus folgt aufgrund der Akzessorietät der Teilnahmestrafbarkeit, dass diese ebenfalls ausscheiden muss (anders im Fall des § 17 StGB).

Aus steuerstrafrechtlicher Perspektive kann eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG im Raum stehen, wenn für den angestellten eSportler keine Lohnsteuervoranmeldungen innerhalb des Lohnsteuer-Anmeldezeitraum abgegeben werden. Aufgrund der gesetzlich statuierten Erklärungspflicht des Arbeitgebers (vgl. § 41a EstG) können sich wiederum nur die Leitungsorgane (vgl. § 14 StGB) täterschaftlich strafbar machen. Für angestellte eSportler verleibt auch hier nur die Teilnahmestrafbarkeit (s. zu den rechtl. Grundsätzen oben). In der Praxis kann aber eine Strafbarkeit dadurch ausgeschlossen werden, dass eine Selbstanzeige bei der Finanzbehörde nach § 371 Abs. 1 AO erstattet wird. Hierbei sind die unrichtigen Angaben zu allen begangenen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang beim Finanzamt nachzuholen. Wichtig ist in diesem Komplex, dass eine Selbstanzeigemöglichkeit dann ausscheidet, wenn die Tat bereits entdeckt war und der Selbstanzeigende dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit hätte rechnen müssen. Dabei kann nur eine im Einzelfall durchgeführte Prüfung des jeweiligen Sachverhalts die tatsächlichen Chancen und Risiken einer Selbstanzeige abschätzen.

Wirtschaftsstrafrechtliche Risiken

Wirtschaftsstrafrechtliche Einflüsse sind zunehmend auch im Sportstrafrecht erkennbar. Mit der Schaffung der §§ 265c ff. StGB, die den Sportwettbetrug grundlegend sanktionieren, sowie den Regelungen des Antidopinggesetzes (AntiDopG) hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich sportstrafrechtlicher Normen erheblich erweitert. Diese Subdisziplin bringt einige Besonderheiten, wie bspw. eine originäre Kronzeugenregelung (vgl. § 4a AntiDopG) mit.  

Von Grund auf stellt sich insbesondere beim Sportbegriff die Frage, ob digitalisierte Elemente in Form des eSports auch unter den Sportbegriff zu subsumieren sind. Die Rechtsprechung zeigt bisweilen eine eher ablehnende Tendenz. Moderne Auslegungstendenzen kommen jedoch zum gegenteiligen Ergebnis, sodass abzuwarten bleibt, ob sich die Rechtsprechung nicht zukünftig in eine andere Richtung verlagern wird.

Letztlich können eSportler aber auch mit klassischen wirtschaftsstrafrechtlichen Delikten wie dem Betrug gem. § 263 StGB sowie der Korruption nach § 299 StGB konfrontiert werden. Eine Sensibilisierung diesbezüglich durch bspw. geeignete Compliance-Schulungen ist deshalb erforderlich, um durch Schaffung von Problembewusstsein sowohl Sanktionen für den eSportler selbst aber auch Sanktionen für den Rechtsträger seines Teams zu verhindern.

Aufgrund der Abschaffung des Vortatenkatalogs ist bei sämtlichen vermögensbezogenen Straftaten im Anschlussbereich zudem an die Geldwäsche gem. § 261 StGB zu denken. Dadurch besteht auch in der Praxis die Gefahr, dass bereits bei marginalen inkriminierten Beträgen im mittleren oder hohen einstelligen Prozentbereich (5-10%) der gesamte Vermögensbestand totalkontaminiert wird. Wichtig ist, dass im Falle der o.g. Steuerhinterziehung nur dann eine Anschlusstrafbarkeit wegen Geldwäsche in Betracht kommt, wenn es sich um eine Steuerrückerstattung handelt.  In diesen Fällen ist auch immer an das potentielle Risiko einer selbständigen Einziehung nach § 76a Abs. 4 StGB zu denken, der trotz Verfahrenseinstellung eine Einziehung von Vermögensgegenständen ermöglicht, sofern das entscheidende Gericht davon überzeugt ist, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt (vgl. § 437 StPO).

Unternehmenssanktionsrechtliche Risiken

De lege lata existiert kein originäres Unternehmensstrafrecht in Deutschland. Eine Sanktionierung von juristischen Personen erfolgt regelmäßig über die §§ 30, 130 OWiG (Ordnungswidrigkeitenrecht). Der Rechtsträger des eSport-Teams, also die dahinterstehende GmbH oder AG, kann hier Adressat der Sanktionen des OWiG sein. Straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich relevantes Verhalten – dabei kommt es nicht auf eine bestimmte Tat an – von Leitungsorganen wie dem Geschäftsführer bei der GmbH kann sich auf Ebene des Rechtsträgers, also der GmbH als juristische Person selbst, auswirken. Nach § 30 OWiG kann eine Verbandsgeldbuße festgesetzt werden, wobei die zugerechneten Straftaten bis zur Höhe von 10 Millionen Euro bebußt werden (im Einzelfall sogar darüber, vgl. § 17 Abs. 4 OWiG). Gleichzeitig kann aber auch das Fehlen von notwendigen Compliance-Maßnahmen bzw. Aufsichtsmaßnahmen als Anknüpfungspunkt für eine Verbandsgeldbuße herangezogen werden (vgl. §§ 130 i.V.m. 30 OWiG).

Bisweilen ist aufgrund der eingeschränkten Erfassung des eSports als originärer Sport auch der Anwendungsbereich zahlreicher Straftatbestände eingeschränkt. Sofern es hier aber zu einer maßgeblichen Änderung der Rechtsprechung kommt, die aufgrund der digitalen Modernisierung des Sports nicht abwegig ist, wird das Strafbarkeitsrisiko für eSportler gerade im Bereich der wirtschaftssportstrafrechtlichen Delikte massiv erweitert. Bereits jetzt treffen den Rechtsträger als Arbeitgeber etwaige steuer- und sozialversicherungsrechtliche Pflichten, die sowohl Strafbarkeiten für die Leitungspersonen, aber auch Verbandsgeldbußen für den Rechtsträger selbst in Aussicht stellen. Geeignete Compliance-Maßnahmen können hier das Sanktionsrisiko minimieren. Essentiell bei der Implementierung eines Compliance-Management-Systems ist, dass eine einzelfallabhängige Risikoanalyse für den betroffenen Sportverband durchgeführt wird. Eine „one size fits all“-Lösung kann es in diesem Bereich nicht geben.