Wir verteidigen Ärzte, Zahnärzte und sonstige Angehörige von Heilberufen, wenn sie sich dem Vorwurf der Körperverletzung ausgesetzt sehen. 

Das Medizinstrafrecht entfaltet seine praktische Relevanz in spektakulären Fällen, wie im Bereich der Organspende oder im Hinblick auf die umstrittene Thematik der Selbsttötung eines Menschen. In den klassischen medizinstrafrechtlichen Verfahren wegen Körperverletzung geht es allerdings um alltägliche und häufig vorkommende Aufklärungs- und Behandlungsfehler durch Ärzte- und Pflegepersonal.

Ärzte stehen häufig unter enormem zeitlichem Druck und müssen unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden. Dass auch einem Arzt Fehler unterlaufen können, ist nachvollziehbar und menschlich. Für den Patienten stellt sich nicht nur die Frage, ob er zivilrechtlich gegen den Arzt vorgehen möchte, sondern auch, ob er strafrechtliche Schritte in Erwägung zieht. Erstattet der Patient Strafanzeige, hat der Arzt empfindliche strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten.

Eine Strafe kann drohen, wenn der Arzt nicht ordnungsgemäß über die Behandlung aufgeklärt hat oder, wenn ihm während eines medizinisch indizierten Eingriffs ein Fehler unterläuft. Ein Arzt macht sich dann entweder wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung gem. §§ 223 ff. StGB strafbar.

Neben einschneidenden zivilrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen droht ein berufsrechtliches Verfahren durch die Ärztekammer, das ein Berufsverbot oder sogar den Widerruf der Approbation zur Folge haben kann.

Die Rechtsprechung nimmt an, dass grundsätzlich jeder ärztliche Heileingriff eine Körperverletzung im Sinne des Gesetzes darstellt. Das ist sogar dann der Fall, wenn sich der Zustand des Patienten durch den Eingriff nicht verschlechtert, sondern nur verbessert, also der Patient – lege artis – nach den Regeln der Kunst behandelt wird.  Natürlich droht nicht immer eine Strafe für den behandelnden Arzt. Der Arzt muss rechtswidrig handeln, um sich überhaupt strafbar machen zu können. An einem rechtswidrigen Handeln fehlt es, wenn der Arzt den Patienten im Vorfeld ordnungsgemäß aufgeklärt und der Patient seine Einwilligung mit dem Eingriff erklärt hat.

Strafbar macht sich der Arzt daher nur in Fällen, in denen der Patient nicht in die konkrete Behandlungsmaßnahme eingewilligt hat oder die Einwilligung mangels hinreichender Aufklärung unwirksam ist. Außerdem kann eine Strafe drohen, wenn dem Arzt vorsätzlich oder fahrlässig ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Er macht sich dann wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung strafbar.

Ärztlicher Behandlungsfehler (Überschrift innerhalb des Akkordeons – lindgrün eingefärbt)

Strafrechtliche Konsequenzen drohen immer dann, wenn dem Arzt ein Fehler unterläuft. Das kann ein Diagnosefehler, einen Behandlungsfehler im engeren Sinne oder einen Organisationsfehler sein.

Ein Diagnosefehler liegt vor, wenn der Arzt bei der Auswertung ärztlicher Befunde und Berichte nicht den ärztlichen Standard einhält, er also Krankheiten und Symptome falsch interpretiert und diagnostiziert.

Ein Behandlungsfehler im engeren Sinne ist jeder Fehler, der dem Arzt während der Behandlung des Patienten unterläuft.

Unterläuft dem Arzt ein Fehler bei der Zusammenarbeit mit Kollegen oder Assistenten, spricht man von einem Organisationsfehler.  

Normalerweise ist dem Arzt nicht nachzuweisen, dass er den Behandlungsfehler wissentlich und willentlich herbeiführte. Er handelte somit nicht vorsätzlich. Es kommt dann nur eine Bestrafung wegen fahrlässiger Körperverletzung in Betracht. Für eine Strafe bedarf es dann jedoch weiterer Voraussetzungen (siehe unten). Macht sich ein Arzt wegen fahrlässiger Körperverletzung gem. § 229 StGB strafbar, droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht (Überschrift innerhalb des Akkordeons – lindgrün eingefärbt)

Die Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht kann unter Umständen eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung begründen:

Explizite Einwilligung des Patienten (Überschrift innerhalb des Akkordeons – lindgrün eingefärbt)

Aufgrund des bestehenden Behandlungsvertrages ist der Arzt dazu verpflichtet, den Patienten rechtzeitig und vollständig über erforderliche Therapien und Maßnahmen aufzuklären (Vgl. Merkblatt Aufklärungspflicht der Ärztekammer Berlin im März 2017).

Dr. Vincent Burgert hat sich in einem fachwissenschaftlichen Beitrag umfassend mit der ärztlichen Aufklärungspflicht (Juristische Arbeitsblätter 2016, S. 246 ff.) auseinandergesetzt.

Die Mindestanforderungen an eine Aufklärung sind außerordentlich hoch. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten soll gewahrt bleiben. Schnell kann dem Arzt im Rahmen der Aufklärung ein minimaler Fehler unterlaufen, der die Einwilligung des Patienten unwirksam macht. Die Einwilligung des Patienten setzt eine vernünftige Aufklärung des Arztes über Wesen, Bedeutung und Tragweite, sowie zu erwartenden Folgen und Risiken der Behandlung voraus. Die Aufklärung muss im Rahmen eines persönlichen Gesprächs zwischen Arzt und Patient erfolgen. Wichtig ist, dass in verständlicher Weise aufgeklärt wird, sodass der Patient die Informationen entsprechend verarbeiten kann. Der Arzt muss sich vergewissern, ob der Patient die Aufklärung verstanden hat und bei weiteren Fragen des Patienten auf Details eingehen. Bestehen schon vor dem Eingriff Anhaltspunkte für eine erforderliche Erweiterung der ärztlichen Maßnahme, so ist über diese im Vorfeld aufzuklären und die entsprechende Einwilligung einzuholen. Ergibt sich die Notwendigkeit für die Erweiterung des Eingriffs erst während der ärztlichen Maßnahme, muss der Arzt unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens seines Patienten eine Entscheidung treffen.

Eine nicht erfolgte oder fehlerhafte Aufklärung lässt die Einwilligung des Patienten in den Heileingriff entfallen und hat zur Folge, dass der Arzt bei seinem Eingriff rechtswidrig handelte. Konsequenz ist eine Strafbarkeit des Arztes wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung. Bei einer vorsätzlichen Körperverletzung droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.

Mutmaßliche Einwilligung des Patienten (Überschrift innerhalb des Akkordeons – lindgrün eingefärbt)

In medizinischen Notfällen kommt ausnahmsweise eine mutmaßliche Einwilligung des Patienten in Betracht. Das ist äußerst selten der Fall. Zu denken ist an einen Bewusstlosen, der infolge eines Unfalls in ein Krankenhaus eingeliefert wird. Vor Ort ergreift der Arzt alle erforderlichen Maßnahmen zur Lebensrettung. Ein solches Handeln entspricht in der Regel dem mutmaßlichen Willen des Bewusstlosen, sodass von einer Einwilligung des Patienten auszugehen ist und der Arzt sich nicht strafbar macht. Eine mutmaßliche Einwilligung kommt nur dann in Betracht, wenn keine ausdrückliche Einwilligung des Patienten erteilt worden ist und es dem Arzt nicht möglich war, die Einwilligung im Vorfeld einzuholen. Zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens kommt es auf die tatsächlichen Interessen des Patienten an, die von Fall zu Fall variieren.  

Hypothetische Einwilligung des Patienten (Überschrift innerhalb des Akkordeons – lindgrün eingefärbt)

Nur im Einzelfall kommt eine hypothetische Einwilligung des Patienten in Betracht. Ob diese tatsächlich zu einer Rechtfertigung des Arztes führen kann, ist rechtlich umstritten. Es handelt sich um Fälle, in denen die Einholung einer Einwilligung durch den Arzt zwar möglich gewesen wäre, jedoch pflichtwidrig unterblieben ist. Eine hypothetische Einwilligung kann also vorliegen, wenn es dem Arzt nachträglich möglich ist, darzulegen, dass der Patient auch im Falle der ordnungsgemäßen Aufklärung in die entsprechende Maßnahme eingewilligt hätte. Das wird jedoch selten der Fall sein.

Minderjährige und nicht einwilligungsfähige Patienten (Überschrift innerhalb des Akkordeons – lindgrün eingefärbt)

Bei Kindern und nicht einwilligungsfähigen Patienten, etwa psychisch Kranken, muss die Einwilligung des Sorgeberechtigten oder gesetzlichen Vertreters eingeholt werden. Dabei ist zu beachten, dass ein Kind oder ein geistig Kranker nicht in jedem Fall einwilligungsunfähig ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Betroffene in der Lage ist, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen. Scheint der Minderjährige oder geistig Kranke den Umfang des Eingriffs verstehen zu können, ist sein Wille bei der Einwilligung, zumindest zu berücksichtigen.

Eine besonders hohe Strafe droht, wenn der Arzt den Patienten vorsätzlich schädigt. Das nachzuweisen, ist in der Praxis jedoch schwierig.

Für eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Körperverletzung muss dargelegt werden, dass der Arzt die Möglichkeit nachteiliger Konsequenzen für den Patienten erkannt hat und diese auch billigend in Kauf nahm.  Regelmäßig ist dem Arzt jedoch nicht nachzuweisen, dass er wissentlich und willentlich einen Behandlungsfehler herbeiführte oder fehlerhaft aufklärte.

Handelte der Arzt nicht vorsätzlich, so kann er nur wegen fahrlässiger Körperverletzung gem. § 229 StGB verfolgt werden.

Ob der Arzt fahrlässig handelt, beurteilt sich anhand der Umstände des Einzelfalls und ist von zahlreichen weiteren rechtlichen Faktoren abhängig.

Objektive Sorgfaltspflichtverletzung des Arztes (Überschrift innerhalb des Akkordeons – lindgrün eingefärbt)

Für einen Vorwurf der Strafbarkeit muss dem Arzt nachgewiesen werden, dass er objektiv sorgfaltspflichtwidrig gehandelt hat. Zur Bestimmung der Sorgfaltspflichten eines Arztes, orientiert man sich an den Anforderungen, die an einen durchschnittlich erfahrenen und versierten Facharzt zu stellen sind.

Zu beachten ist, dass jeder Arzt bei der Vornahme seiner Tätigkeit einen gewissen Handlungsspielraum hat. Nicht jeder Eingriff mit ungewollten Konsequenzen, ist auf ein fahrlässiges Handeln des Arztes zurückzuführen.

Weitere Voraussetzungen (Überschrift innerhalb des Akkordeons – lindgrün eingefärbt)

Lediglich der Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung des Arztes genügt nicht für die Annahme der Strafbarkeit. Vielmehr müssen weitere Voraussetzungen vorliegen, deren Nachweis häufig nicht gelingt. Es geht etwa um die Frage des Zurechnungszusammenhangs. Wäre der Patient auch ohne ein Zutun des Arztes geschädigt worden, macht sich der Arzt nicht strafbar. Ob sich ein Arzt wegen Körperverletzung strafbar gemacht hat, ist letztlich abhängig von komplexen und umstrittenen Einzelfragen. Diese zu erkennen, zu diskutieren und zu lösen, ist Aufgabe des Strafverteidigers. Zusätzlich können Gutachten und andere Gegenbeweise den Vorwurf erschüttern.

Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung

Voraussetzung einer Strafbarkeit des Arztes ist auch ein persönlicher Schuldvorwurf gegen den Arzt. Wenn eine Gesundheitsschädigung des Patienten für den Arzt subjektiv unter keinen Umständen vorhersehbar war, oder ihm die Einhaltung der gewöhnlichen Sorgfalt aufgrund äußerer Umstände nicht zumutbar gewesen ist, kann eine Strafbarkeit des Arztes entfallen. Wiederum ist jedoch eine Beurteilung aus fachlicher Sicht erforderlich. Auf keinen Fall dürfen vorschnell Schlüsse gezogen werden. Ein strategisches Vorgehen ist in rechtlicher Hinsicht von hoher Bedeutung.

Sowohl die vorsätzliche Körperverletzung gem. § 223 StGB als auch die fahrlässige Körperverletzung gem. § 229 StGB werden nur auf Antrag verfolgt.

Das bedeutet, der Geschädigte hat innerhalb von drei Monaten einen inhaltlich wirksamen Antrag auf Strafverfolgung zu stellen. 

Stellt der Geschädigte diesen Strafantrag nicht, kommt eine Strafverfolgung nur in Betracht, wenn die Strafverfolgungsbehörden wegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten für geboten halten.