Der Rat – bestehend aus Justiz und Innenminister – hat sich am 14.06.2024 auf seinen Standpunkt zu der Korruptionsbekämpfungsrichtlinie vom 03.05.2023 geeinigt, in der Mindeststandards für die Definition und Sanktionierung von Korruptionsdelikten, Präventivmaßnahmen und Vorschriften für wirksamere Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen festgelegt werden. Die wichtigste Neuerung der Richtlinie besteht darin, dass erstmals auf EU-Ebene Vorschriften über Korruption im öffentlichen und privaten Sektor in einem einzigen Rechtsakt zusammengeführt werden (wir berichteten in unserem Blogeintrag vom 23. Januar 2024).
Die folgenden Straftaten werden wohl zukünftig durch die EU in allen Mitgliedstaaten unter Strafe gestellt: Bestechung im öffentlichen und im privaten Sektor, Veruntreuung, unerlaubte Einflussnahme, Behinderung der Justiz und Bereicherung durch Korruptionsdelikte.
Art. 7 – Bestechlichkeit bzw. Bestechung von Amts- und Mandatsträgern
Der Kommissionvorschlag (RL-Vorschlag) sah als Mittel im Kampf gegen Korruption vor, dass die Mitgliedstaaten die Bestechung und Bestechlichkeit von Amtsträgern strafrechtlich verfolgen müssen. Dies sei unabhängig davon, ob ein „ungerechtfertigter Vorteil“ vorliegt oder ob die Handlung pflichtgemäß oder pflichtwidrig ist (vgl. Art. 15 UNCAC).
Laut der Einigung des Rates muss danach differenziert werden, ob die „erkaufte“ Diensthandlung pflichtgemäß oder pflichtwidrig war. So liegt die Strafandrohung bei drei Jahren für pflichtgemäße Diensthandlungen, bei pflichtwidrigen Diensthandlungen erhöht sich die Strafandrohung hingegen auf vier Jahre (der RL-Vorschlag sah eine Mindeststrafe von sechs Jahren vor). Vorteilszuwendungen für pflichtgemäße Diensthandlungen („facilitation payments“) von in- und ausländischen Amtsträgern bleiben strafbar, wobei die Strafbarkeit auf „ungerechtfertigte Vorteile“ beschränkt werden kann, sodass kleinere Gefälligkeiten nicht zwingend verfolgt werden müssen. Gleichermaßen gilt die Beschränkung des Korruptionstatbestandes auf ungerechtfertigte Vorteile für Mandatsträger.
Gemäß dem RL-Vorschlag sollen in- und ausländische Mandatsträger als Amtsträger gelten. Der Rat folgt dem nicht und schlägt vor, dass Mandatsträger den nationalen Amtsträgern gleichgestellt werden, wobei dies im „Einklang mit dem nationalen Recht“ erfolgen soll. In Erwägungsgrund 23 wird vom Rat betont, dass bei Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht der Wahrung der Freiheit des Mandats von Parlamentsmitgliedern in vollem Umfang Rechnung zu tragen sei und dass legitime Formen der Interessensvertretung nicht beeinträchtigt werden sollen.
Art. 8 – Bestechlichkeit und Bestechung im privaten Sektor
In den Ratsverhandlungen wurde Artikel 8 der RL nur geringfügig geändert, sodass § 299 StGB (Umsetzung des Rahmenbeschluss 2003/568/JI) im Wesentlichen unverändert bleibt. Strafbar sind demnach ungerechtfertigte Vorteile an Unternehmensangestellte als Gegenleistung für pflichtwidrige Handlungen. Der Rat hat die vorgesehene Strafandrohung von fünf Jahren auf drei Jahre herabgesetzt.
Art. 9 – Veruntreuung
Gemäß dem Richtlinienvorschlag sollte eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden, wenn Amts- oder Mandatsträger oder Angestellte von Unternehmen Vermögensgegenstände, die ihnen anvertraut wurden, zweckwidrig verwenden. Die Vorgaben zur Versuchsstrafbarkeit sind in der Allgemeinen Ausrichtung des Rates für alle Strafbarkeitsvorschriften entfallen. Der Strafrahmen wurde durch den Rat auf drei Jahre herabgesetzt. Der Schwellenwert für Schaden oder Vorteil liegt weiterhin bei 10.000 €.
Art. 10 – Unerlaubte Einflussnahme
Nach Art. 10 des RL-Vorschlags macht sich strafbar, wer tatsächlichen oder vermeintlichen Einfluss einer Person mit dem Ziel erkauft, dadurch von einem Amts- oder Mandatsträger einen ungerechtfertigten Vorteil zu erhalten, unabhängig davon, ob der Einfluss tatsächlich ausgeübt wird. Der in Frage kommende Täterkreis sind insbesondere Personen, die den Amts- oder Mandatsträgern nahestehen, aber selbst kein Amt innehaben.
Der Rat besteht darauf, dass jeder bestraft werden kann, der unerlaubten Einfluss auf einen Entscheidungsträger ausübt, um eine ungerechtfertigte Begünstigung zu erzielen. Die zu beeinflussende Entscheidung muss zu einer ungerechtfertigten Begünstigung führen, was nur bei rechtswidrigen Entscheidungen der Fall sein dürfte (siehe Busch, wistra 7/2024). Die Strafbarkeit kann jeweils auf ungerechtfertigte Vorteile beschränkt werden. Als Strafandrohung sieht der Rat drei Jahre vor.
In Deutschland wurde nach der BGH-Entscheidung zu den „Maskendeals“ (BGH v. 5.7.2022 – StB 7-9/22) der neue § 108f StGB eingeführt, um die unzulässige Interessenwahrnehmung zu verfolgen (wir berichteten auf der LinkedIn-Seite von Dr. Vincent Burgert).
Art. 11 – Amtsmissbrauch
Laut Artikel 11 Absatz 1 des RL-Vorschlags sollen Beamte und Amtsträger mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren belegt werden können, wenn sie rechtswidrige Handlungen zur Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils für sich selbst oder andere durchführen. Eine ähnliche Regelung war in Artikel 11 Absatz 2 für das pflichtwidrige Verhalten von Unternehmensmitarbeitern vorgesehen. Der Rat überlässt hingegen den Mitgliedstaaten eigenes Ermessen bzgl. der Ahndung gegen die Handlung oder das Unterlassen eines öffentlichen Bediensteten und hat die Strafbarkeit des „Amtsmissbrauchs“ durch Unternehmensangestellte gestrichen, wodurch auch Vorgaben zum Strafrahmen entfallen.
Art. 12 – Behinderung der Justiz
Gemäß dem Vorschlag der RL der Kommission soll eine beabsichtigte Unterdrückung von Beweismitteln oder das Herbeiführen von Falschaussagen durch Gewalt, Drohung, Einschüchterung oder Gewährung von Vorteilen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Jahren geahndet werden. Ebenso soll das zumindest beabsichtigte Hindernis von Strafverfolgungsbehörden und Gerichten durch Gewalt, Drohung oder Einschüchterung strafbar sein. Beide Bestimmungen gelten ausschließlich für Verfahren wegen Straftaten nach dem RL-Vorschlag. Laut dem Rat bedarf es der Klarstellung, dass keine speziellen Tatbestände der Justizbehinderung in Korruptionsfällen erforderlich sind. Eine Ahndung kann durch allgemeine Straftatbestände wie der Nötigung erfolgen (u.a. Erwägungsgrund 14).
Vorgaben zum Strafrahmen
Der Rat intendiert, dass die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Strafen einführen und verringert daher die Höchststrafe von sechs Jahren auf vier Jahre und nahm die Versuchsstrafbarkeit zurück. Das Höchstmaß von mindestens zwei bis vier Jahren erfüllt diese Anforderungen. Personen, die wegen Korruptionsdelikten verurteilt werden, können mit zusätzlichen Strafen wie Geldstrafen oder Geldbußen, Abberufung von einem öffentlichen Amt, Verbot der Ausübung eines öffentlichen Amtes oder der Ausübung einer öffentlichen Aufgabe, Entziehung von Genehmigungen und Ausschluss vom Zugang zu Ausschreibungsverfahren und öffentlicher Finanzierung belegt werden.
Juristische Personen werden ebenfalls mit Sanktionen in der Form von Geldstrafen oder Geldbußen belegt, die je nach Straftat mindestens 3 % bis 5 % ihres weltweiten Gesamtumsatzes oder mindestens 24 bzw. 40 Millionen Euro betragen.
Weiterer Verlauf
Der letzte Schritt ist nunmehr der sog. Trilog, also das Gespräch zwischen Rat, Europäischem Parlament und Kommission und daran anschließend das förmliche Gesetzgebungsverfahren. Jedenfalls will die EU weitere Maßnahmen im Kampf gegen Korruption einsetzen. Verfolgen Sie gerne auf unserem Kanzlei-Blog der Kanzlei Burgert Krötz Rechtsanwälte, die weiteren Schritte bis zur Verkündung der Richtlinie. Weitere Informationen zur Korruptionsstrafrecht finden Sie hier.