„Grüne“ Werbeversprechen und Umweltlabels im Fokus – neuer EU-Richtlinienentwurf im Kampf gegen Greenwashing

Der neue Richtlinienentwurf zu sog. „green claims“ der EU-Kommission vom 22. März 2023 sieht weitreichende Regelungen für die transparente Ausgestaltung, die Kommunikation und Verifizierung umweltbezogener Werbeaussagen sowie der Vergabe privater Umweltzertifikate vor. Damit soll der Kampf gegen das Phänomen des sog. „Greenwashings“, das Bemühungen von Unternehmen beschreibt, durch gezielte PR-Maßnahmen ein „grünes“ Image zu erhalten, ohne sich in Wahrheit tatsächlich oder in besonderer Weise für die Umwelt und Klimaschutz zu engagieren, weiter verstärkt werden.

Der folgende Beitrag stellt die rechtlichen und praktischen Auswirkungen dieses regulatorischen Vorschlages dar und ordnet sie in den Kontext der verstärkten Europäisierung umweltrechtlicher und damit auch zwangsläufiger umweltstrafrechtlicher bzw. umweltsanktionsrechtlicher Normen ein.

Green Claims – Werbeversprechen zum Schutz des Klimas

Unter sog. „green claims“ werden umweltbezogene Werbeaussagen gefasst, die ein Produkt oder eine Tätigkeit eines Unternehmens als klimafreundlich oder zumindest als klimaneutral klassifizieren. In der Werbepraxis finden sich dabei zahlreiche unterschiedliche Labels, wie z.B. Hinweise zur Klima- und CO2-Neutralität, zur Plastikfreiheit, zur Nachhaltigkeit oder zur Klimapositivität. Die formelle Ausgestaltung etwaiger umweltbezogener Werbeaussagen ist der Natur nach sehr prägnant und auf den „schnellen Blick“ eines Verbrauchers ausgerichtet. Eine Verifikation dieser Werbeaussagen ist für viele Verbraucher nicht möglich, wie die im Auftrag der EU-Kommission durchgeführten Studien aus den Jahren 2020 sowie 2021 zeigen.

Nach der im Jahr 2020 durchgeführten Studie sind 53,3% der überprüften Umweltaussagen vage, irreführend oder nicht fundiert. Weiterhin wurde festgestellt, dass etwaige Werbeaussagen nur in 60% der Fälle durch entsprechende Verweise belegt wurden. Auch die im Jahr 2021 durchgeführte Studie zur Überprüfung von Umweltzeichen (sog. Umweltlabels) stellte fest, dass mehr als die Hälfte der 232 erfassten Umweltzeichen entweder nur schwach oder gar nicht wissenschaftlich verifiziert wurden. Der nunmehr veröffentlichte EU-Richtlinienvorschlag will durch die Implementierung von harmonisierenden Mindeststandards dieser festgestellten Intransparenz zum Schutz der Verbraucher und zur Stärkung des Kampfes gegen das Phänomen des sog. „Greenwashing“ Einhalt gebieten.

Darstellung der Richtlinieninhalte  

Vorgaben zur Veröffentlichung umweltbezogener Aussagen

Der Richtlinienvorschlag sieht explizite Regelungen zur Standardisierung vor, ob und inwieweit mit umweltbezogenen Aussagen nunmehr geworben werden darf. Grundsätzlich umfasst der Richtlinienvorschlag jene Aussagen, die Unternehmen (sog. „Händler“) mit ihrer unternehmerischen Tätigkeit selbst in Verbindung bringen sowie solche Aussagen, die auf Produkten des Unternehmens verbreitet oder mit denen für solche Produkte geworben werden.  

Will ein Unternehmen zukünftig solche umweltbezogene Werbung verwenden, ist dieses vorab verpflichtet, die Aussagen anhand des von der EU vorgesehenen Kriterienkatalogs zu überprüfen, eine geeignete Kommunikationsstrategie zu implementieren und eine entsprechende Verifizierung bei einer dafür zuständigen Stelle des jeweiligen Mitgliedsstaates einzuholen (vgl. dazu Art. 3, Art. 4 und Art. 6 des EU-Richtlinienvorschlags).

Dabei müssen Unternehmen zukünftig darlegen,

  • ob die Angabe sich auf das gesamte Produkt oder nur einen Teil des Produkts oder auf alle oder nur bestimmte Tätigkeiten des Unternehmens bezieht.
  • ob die Angabe sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen lässt und dabei internationale Standards berücksichtigt wurden. Sofern ähnlichen Produkte oder Tätigkeiten verglichen werden, müssen diese Vergleiche auf einer fairen, transparenten und vergleichbaren Informations- und Datengrundlage beruhen.
  • dass die behaupteten Aussagen einen wesentlichen umweltbezogenen Einfluss aufweisen. Hierbei ist der jeweilige Lebenszyklus zu berücksichtigen.
  • dass die veröffentliche Aussage über das Maß der gesetzlichen Vorschriften hinausgeht. Eine Werbung mit der schlichten Einhaltung der gesetzlichen Mindeststandards ist unzulässig.
  • ob das Produkt oder das Unternehmen im Vergleich zu den marktüblichen Standards aus umweltbezogener Perspektive besser abschneidet.
  • ob in Bezug auf die umweltbezogenen Aussagen ein anderweitiger Umweltschaden, z.B. auf den Klimawandel, den Schutz der Natur oder die biologische Vielfalt, verursacht wird. 
  • inwiefern ein Ausgleich von C02-Emissionen stattfindet.

Weiterhin sieht der EU-Richtlinienvorschlag auch Vorgaben für die sich anschließende Kommunikation des Unternehmens vor. Dabei hat das Unternehmen detaillierte Informationen zur Verfügung zu stellen, die ihre umweltbezogene Aussage untermauern. Es ist sowohl möglich die Informationsgrundlage in physischer Form oder in digitaler Form, wie bspw. durch einen externen Link oder etwaige QR-Codes für Verbraucher einsehbar zu machen (vgl. Art. 5 des EU-Richtlinienvorschlags).

Der EU-Richtlinienvorschlag sieht weiterhin vor, dass etwaige Werbeaussagen vorab durch eine unabhängige Prüfstelle (sog. „Verifier“, Art. 10 und 11 des Richtlinienvorschlags), die durch den jeweiligen Mitgliedsstaat bestimmt wird, nach Maßgabe der Richtlinienvorschriften zu überprüfen sind.

Vorgaben zur Verwendung von Umweltlabels

Letztlich will der europäische Gesetzgeber auch die in der Praxis in ihrer Zahl flutartig-auftauchenden Umweltlabels einem weitreichenden Regelungsinstrumentarium unterwerfen. Damit soll insbesondere die in ihrem Verfahrensablauf oftmals intransparente, private Zertifizierungspraxis unternehmerischer Tätigkeiten und etwaiger Produkte zugunsten des Verbraucherschutzes eingedämmt werden.

Hierfür ist ein Zertifizierungsprozess vorgesehen, der die in der Praxis vermisste Transparenz und die Nachvollziehbarkeit wesentlich verstärken soll. Die Anbieter bisheriger Umweltlabels müssen zukünftig Informationen über die Eigentumsverhältnisse und die Entscheidungsgremien offenlegen. Weiterhin sind die Ziele des Anbieters sowie die Anforderungen und Verfahren zur Überwachung der Einhaltung der zertifizierten Umweltstandards öffentlich, transparent, leicht verständlich, hinreichend detailliert und kostenlos zu publizieren. Zudem sind transparente Bedingungen für die Teilnahme am Zertifizierungsprozess aufzustellen, die sich in einem angemessenen Verhältnis zu Größe und Umsatz der teilnehmenden Unternehmen richtet. Dadurch soll die Teilnahme kleiner sowie mittelständischer Unternehmen am Labelingprozess gewährleistet werden. Außerdem sieht der EU-Richtlinienvorschlag die verpflichtende Implementierung eines Beschwerde- und Streitbeilegungsverfahrens vor. Letztlich sind ebenso Voraussetzungen für den Entzug und die Aussetzung des Labelings vorzulegen.

Auch hier befürwortet die EU-Richtlinie eine Überprüfung der festgelegten Zertifizierungsstandards durch ein unabhängiges Expertengremium des jeweiligen Mitgliedsstaates.

Sanktionierung von Verstößen

Der EU-Richtlinienvorschlag sieht einen originären Bußgeldtatbestand für etwaige Verstöße gegen die vorgenannten Vorschriften nicht vor. Vielmehr obliegt den jeweiligen Mitgliedsstaaten eine genaue Festlegung der Sanktionsart sowie ihrer Höhe. Der Richtlinienvorschlag stellt jedoch als Höchstbetrag von Geldbußen 4% des gesamten Jahresumsatzes des Unternehmens in dem betreffenden Mitgliedsstaat in Aussicht.

Trotz fehlenden bußgeldrechtlichen Tatbestands untermauert der Vorschlag die regulatorische Leitlinie, dass national festgelegte Sanktionen effektiv und den Adressaten wirtschaftlich empfindlich treffen müssen. Zudem ist die Einziehung etwaiger Einnahmen, die das Unternehmen aus einem Geschäft mit dem betreffenden Produkt oder der Tätigkeit erzielt hat, vorgesehen. Weiterhin ist auch ein vorübergehender Ausschluss für öffentliche Vergabeaufträge für einen Zeitraum von höchstens 12 Monaten geplant. Besonders empfindlich kann das Unternehmen die Einziehung von Einnahmen aus Verstößen gegen vorgenannte Vorschriften treffen. Dadurch kann– im worst case – die wirtschaftliche Liquidität des Unternehmens gefährdet sein.

Ausblick

Für Unternehmen, die weiterhin in der EU mit „green claims“ werben wollen, stellt der Richtlinienvorschlag weitreichende Anforderungen an die Substantiierung, die Kommunikation und die Verifizierung etwaiger umweltbezogener Aussagen sowie an die Anbieter von Umweltlabels auf. Dadurch wird die Notwendigkeit eines sog. „Green-Compliance-Management-Systems“ zur Einhaltung der Anforderungen an die unternehmerische Sorgfalt nicht nur für die werbenden Unternehmen, sondern auch für die zertifizierenden Anbieter notwendig. Die Einhaltung umweltbezogener Standards wird – wie die tägliche Praxis zeigt – sowohl von der Gesellschaft, den Medien aber zukünftig auch den Sanktionierungsbehörden äußerst kritisch betrachtet. Damit steigt parallel auch das Sanktionsrisiko. Wie der Vorschlag der EU-Richtlinie zeigt, sind empfindliche Sanktionen geplant, um den ernsten Willen des Gesetzgebers „nachhaltig“ zu untermauern.

Insgesamt reiht sich der EU-Richtlinienvorschlag sowohl in nationale als auch internationale Extensionsbestrebungen ein, die das Umweltrecht und damit zwangsläufig auch das Umweltstrafrecht maßgeblich beeinflussen (s. dazu ausführlich Burgert/Veljovic, Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR) 2023, S. 156 ff.). Auch wenn das Phänomen des sog. „Greenwashings“ bisweilen nicht unter einen ausdrücklichen Straftatbestand gefasst wurde, ist eine – je nach Einzelfall – Subsumtion unter den Straftatbestand des Kapitalanlagebetrugs nach § 264a StGB nicht per se ausgeschlossen.

Bis vorgenannte Regelungen in Deutschland tatsächlich zur Anwendung kommen (könnten), werden aufgrund des notwendigen Umsetzungsverfahrens in nationales Recht noch vermutlich einige Jahre vergehen. Dennoch sollten sich Unternehmen bereits jetzt mit umweltbezogenen regulatorischen Extensionsbestrebungen auseinandersetzen, um einen (zukünftig) notwendigen Transformationsprozess ohne Behinderung der täglichen Geschäftsabläufe sicherzustellen.

Die Rechtsanwälte der Kanzlei Burgert Krötz – Rechtsanwälte beraten sowohl in Fragen der Implementierung „grüner“ Compliance-Maßnahmen, als auch in sämtlichen umweltstrafrechtlichen sowie -bußgeldrechtlichen Verfahren und Fragestellungen.