Das Hinweisgeberschutzgesetz steht in den Startlöchern – ein Überblick

Die Entwurfsfassung der Bundesregierung zu einem „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ wurde am 19. September 2022 dem Bundestag zugestellt. Am 29. September 2022 wurde erstmals über diesen Gesetzesentwurf beraten. Es ist davon auszugehen, dass das Gesetzgebungsverfahren in Kürze abgeschlossen wird, sodass Kenntnisse über die Regelungen des HinSchG insbesondere im Unternehmensbereich nunmehr unerlässlich werden. 

Zielsetzung des Entwurfs

Die Bundesregierung will Hinweisgeber (sog. Whistleblower) im beruflichen Umfeld künftig umfassender schützen, da sie ausweislich der Gesetzesbegründung einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung und Ahndung von Missständen leisten. Der Gesetzgeber adressierte, dass die Abgabe eines Hinweises in der Vergangenheit aber bedeutete die, dass sich Hinweisgeber oftmals sowohl mit beruflichen als auch privaten Repressalien konfrontiert sahen. Zudem wurde bisweilen kein rechtlicher Schutzmechanismus für Hinweisabgaben implementiert, sondern Hinweisgeber mussten sich auf allgemeine Regelungen berufen. Ein erster Schritt zum Schutz vor strafrechtlichen Sanktionen lieferte die Kodifizierung des § 5 GeschGehG.  Dieser sieht vor, dass die Erlangung, Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses nicht unter die Verbotshandlungen des § 4 GeschGehG fällt, wenn die Handlungen zum Schutz eines berechtigten Interesses erfolgen. Ein solches berechtigtes Interesse liegt beispielsweise vor, wenn die Handlung zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens erfolgte und dabei geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Die Regelung des § 5 GeschGehG schließt eine Strafbarkeit wegen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses nach § 23 GeschGehG aus. Weitere mögliche Strafbarkeiten aus dem Kernstrafrecht werden aber durch den § 5 GeschGehG nicht berührt.

Regelungen über den Abgabeprozess des Hinweises sowie etwaige Anforderungen an Unternehmen sah das GeschGehG aber nicht vor. Vielmehr war dieser Prozess richterrechtlich (insbesondere durch Arbeitsrecht) geprägt. In diese Lücke tritt nun der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes, der etwaige Benachteiligungen ausschließen will und den Abgabeprozess des Hinweises rechtlich konkretisiert.

Weiter Anwendungsbereich des HinSchG

Die Regelungen des HinSchG gelten für alle natürlichen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben (vgl. § 1 Abs. 1 HinSchG). Ausweislich der Gesetzesbegründung umfasst der weite persönliche Anwendungsbereich also sowohl Arbeitnehmer einschließlich Beamten, aber auch Selbständige, Mitarbeitern von Lieferanten und Personen, die bereits vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses Kenntnisse von Verstößen erlangt haben (vgl. den Beschäftigtenbegriff, wodurch eine Abgabe an interne Meldestellen ermöglicht wird, § 3 Abs. 8 i.V.m. § 16 Abs. 1 HinSchG).

Auch der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG ist entsprechend weit gefasst. Das HinSchG umfasst insbesondere Informationen über Verstöße, die straf- und bußgeldbewehrt sind (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HinSchG). Hinsichtlich der Bußgeldvorschriften wird zusätzlich gefordert, dass die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Weiterhin umfasst der sachliche Anwendungsbereich auch bestimmte Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie gegen Rechtsakte der Europäischen Union (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 HinSchG).

Verpflichtende Einrichtung von Meldestellen für Unternehmen

Handlungsbedarf für Unternehmen besteht nach § 12 HinSchG. Die Vorschrift sieht die pflichtweise Einrichtung interner Meldestellen vor, wenn das Unternehmen mindestens 50 Personen beschäftigt. Zur Sicherstellung einer Übergangszeit, in der taugliche Meldestellen eingerichtet werden, soll diese Pflicht Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten erst ab dem 17. Dezember 2023 treffen.

Unabhängig von der Beschäftigtenzahl gilt diese Pflicht für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Datenbereitstellungsdienste, Börsenträger, Institute des Kreditwesens, Kapitalverwaltungsgesellschaften sowie grundsätzlich für Unternehmen, die dem Anwendungsbereich des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterfallen (vgl. 12 Abs. 2, Abs. 3 HinSchG).

Der Begriff der internen Meldestelle umfasst nicht nur unmittelbar mit dem Unternehmen verbundene Anlaufstellen wie z.B. beauftragte Leiter der Complianceabteilung, Integritätsbeauftragte sowie Rechts- und Datenschutzbeauftragte. Es können, so wie dies auch bereits in der Praxis gehandhabt wird, externe Dritte wie insbesondere Ombudspersonen mit der Einrichtung und dem Betreiben der internen Meldestelle beauftragt werden. Als Ombudspersonen bieten sich insbesondere erfahrene Rechtsanwälte an. Hierbei ist darauf zu achten, dass eine fortwährende Kooperation und Kommunikation zwischen Unternehmen und Ombudsperson erfolgen muss, da das Unternehmen mit der Beauftragung des Dritten nicht aus der Pflicht entlassen ist, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Verstöße abzustellen (vgl. S. 79 der Gesetzesbegründung).

Die Aufgabe der internen Meldestelle besteht im Betreiben des Meldekanals (vgl. § 16 HinSchG), in der Administration des Verfahrens bei internen Meldungen (wie z.B. die Überprüfung des Hinweises, vgl. § 17 HinSchG) sowie in der Ergreifung von Folgemaßnahmen (wie z.B. die Einleitung einer internen Untersuchung, vgl. § 18 HinSchG). Eine Verpflichtung, die Hinweisabgabe auch in anonymer Form zu ermöglichen, sieht der Gesetzesentwurf nicht vor (vgl. § 16 Abs. 1 HinSchG), wenngleich der Entwurf die Vorteile anonymer Meldekanäle ausdrücklich adressiert (vgl. S. 81 der Gesetzesbegründung). Dennoch bleibt fraglich, inwiefern sich ein Modell der anonymisierten Meldekanäle durchsetzen wird, wenn keine rechtliche Verpflichtung hierfür besteht.

Die Meldekanäle sind weiterhin so auszugestalten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen Personen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben (vgl. § 16 Abs. 2 HinSchG).

Die unterlassene Einrichtung einer Meldestelle ist nach § 40 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG bußgeldbewehrt. Die Höhe der Geldbuße kann bis zu 20.000€ erreichen.

Neben den internen Meldestellen richtet der Bund beim Bundesamt für Justiz eine Stelle für externe Meldungen ein (vgl. § 19 HinSchG). Weiterhin kann jedes Bundesland eine eigene Meldestelle einrichten (vgl. § 20 HinSchG).

Prozess der Hinweisabgabe

Personen, die beabsichtigen, Informationen über einen Verstoß zu melden, können wählen, ob sie sich an eine interne Meldestelle oder eine externe Meldestelle wenden (vgl. § 7 HinSchG). Besonders umstritten ist in Literatur und Praxis, ob es trotz der Ausführungen des Gesetzesentwurfs einen Vorrang interner Meldungen geben sollte. Denn der europäische Richtlinienentwurf sieht vor, dass Mitgliedsstaaten sich dafür einzusetzen haben, dass die Meldung vorrangig über interne Meldekanäle abgegeben wird, sofern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und keine Repressalien zu befürchten sind. Letztlich sieht aber auch die Hinweisgeberschutzrichtlinie eine Möglichkeit vor, Hinweise direkt über externe Meldekanäle zu erstatten (vgl. Art. 10 HinSch-RL). Letztlich besteht hinsichtlich der Ausübung des proklammierten Wahlrechts aber gesetzgeberischer Konturierungsbedarf.

Weiterhin ist es verboten, Meldungen oder die auf eine Meldung folgende Kommunikation zwischen Hinweisgeber und Meldestelle zu behindern oder dies zu versuchen (vgl. 7 Abs. 2 HinSchG). Die Behinderung der Meldung oder der Kommunikation ist ebenfalls nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 HinSchG bußgeldbewehrt und kann mit einer Geldbuße von bis zu 100.000€ geahndet werden.

Interne und externe Meldestellen können Folgemaßnahmen ergreifen. Der Gesetzgeber sieht für interne Meldestellen insbesondere die Durchführung interner Untersuchungen, die Verweisung des Hinweisgebers an eine andere zuständige Stelle sowie den Abschluss des Verfahrens samt Kommunikation mit internen sowie externen Anlaufstellen (wie z.B. Strafverfolgungsbehörden) vor (vgl. § 18 HinSchG). Die externen Meldestellen können nach pflichtgemäßem Ermessen Auskünfte von den betroffenen Personen sowie von Behörden erlangen. Weiterhin sieht der Gesetzesentwurf vor, dass externe Meldestellen in Kontakt mit dem Unternehmen treten und das Verfahren ebenfalls leiten können (vgl. § 29 HinSchG). Dabei arbeiten die externen Meldestellen mit anderen öffentlichen Stellen eng zusammen (vgl. § 30 HinSchG).

Der Gesetzgeber erklärt zudem ausdrücklich, dass gegen Hinweisgeber gerichtete Repressalien sowie deren Androhung oder der Versuch, Repressalien auszuüben, verboten sind (vgl. § 36 Abs. 1 HinSchG). Bei einem Verstoß erhält der Hinweisgeber die Möglichkeit Schadensersatz geltend zu machen. Zudem ist dieser Verstoß nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 HinSchG bußgeldbewehrt und kann mit einer Geldbuße von bis zu 100.000€ geahndet werden. Gleichzeitig ist der Hinweisgeber aber zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen meldet oder offenlegt (vgl. § 38 HinSchG). Die kautelarische Praxis kann keine Vereinbarungen bspw. in Arbeitsverträgen treffen, die die Rechte des Hinweisgebers nach dem HinSchG einschränken (vgl. § 39 HinSchG).

Ausblick

Die Regelungen des HinSchG sieht weitreichende Veränderungen für die Praxis der Entgegennahme sowie der Verarbeitung von abgegebenen Hinweisen vor. Davon sind zahlreiche Unternehmen (bereits ab einer Beschäftigtenzahl von 50 Personen) betroffen, sodass Compliance-Abteilungen sich auf diese Rechtsänderungen zügig vorzubereiten haben. Der vorgesehene Umsetzungszeitraum bis zum 17. Dezember 2023 sollte deshalb genutzt werden, um taugliche interne Meldekanäle zu implementieren. Dafür kann die Integration einer externen erfahrenen Ombudsperson hilfreich sein.

Kritisch ist, dass insbesondere das Wahlrechtsverfahren im Rahmen des Abgabeprozesses nicht eindeutig genug seitens des Gesetzgebers geregelt wurde. Letztlich kann nämlich die direkte externe Meldung erhebliche Konsequenzen für das betroffene Unternehmen haben. Eine dadurch hervorgerufene Rufschädigung des Unternehmens kann hier beispielsweise existenzgefährdende Ausmaße einnehmen. Deshalb sollte jedes Unternehmen das Ziel verfolgen, dass Anreize für die innerbetriebliche Kommunikation sowie die vorzugswürdige interne Meldung gesetzt werden. Geeignete Schulungs- und Compliancemaßnahmen sowie eine positiv gelebte Unternehmenskultur können den Abgabeprozess hier maßgeblich beeinflussen.

Die Regelungen des HinSchG sollten nicht nur unternehmensseitig als Risiko, sondern auch als Chance verstanden werden, indem der Aufbau einer enttabuisierten und offenen Kommunikationskultur dazu führt, dass Schäden zulasten des Unternehmens aufgrund von Straftaten, aber auch nachfolgende zivilrechtliche aber auch ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftungen präventiv bekämpft und verhindert werden können.