BGH: Fälschung von Corona-Impfpässen schon nach altem Recht strafbar

Mit Urteil vom 10. November 2022 hat der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (Az. 5 StR 283/22) einen Freispruch des Landgerichts Hamburg im Zusammenhang mit der Fälschung von Corona-Impfpässen aufgehoben und zur Neuverhandlung an eine andere Kammer verwiesen.

Der Angeklagte hatte in 19 Fällen Erst- und Zweitimpfungen samt Impfstoffbezeichnung und Chargennummer in von ihm erstellte oder bereits ausgestellte Impfpässe gegen Bezahlung eingetragen. Er versah seine Eintragung mit einem Stempel eines Impfzentrums sowie einer erfundenen Unterschrift eines angeblichen Arztes.

Zur Genese der Rechtslage in der Rechtsprechung

Mit seinem Urteil hat der BGH die in der Rechtsprechung umstrittene Frage, ob das Fälschen von Corona-Impfbescheinigungen schon nach alter Rechtslage eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB darstellte, abschließend bejaht. Damit hat der BGH einen langwierigen Streit in der Rechtsprechung beendet.

In seiner Pressemitteilung verwies der Senat darauf verwiesen, dass weder aus dem Sinn und Zweck noch der systematischen Stellung des § 277 StGB der alten Fassung eine Privilegierung des Täters im Verhältnis zur Urkundenfälschung ersichtlich sei. Erst recht entfalte § 277 StGB a.F. keine Sperrwirkung gegenüber der Urkundenfälschung, wenn der Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen – so wie in dem zu entscheidenden Fall – nicht vollständig erfüllt ist.

Bisweilen wurde nämlich vertreten, dass die §§ 277 bis 279 in der bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung bereits dann abschließende spezialgesetzliche Regelungen über die Strafbarkeit des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen darstellten und somit die Anwendbarkeit der Urkundenfälschung nach § 267 StGB sperrten, sofern Gegenstand der Tat ein Gesundheitszeugnis war (vgl. BayOblG, Beschluss vom 03.06.2022 – 207 StRR 155/22; LG Hamburg, Urteil vom 01.03.2022 – 634 KLs 8/21; LG Osnabrück, Beschluss v. 26.10.2021, Az. 3 Qs 38/21).

Diese angenommene Sperrwirkung führte bisweilen zu einer in der Rechtspraxis wahrgenommenen Strafbarkeitslücke, da die Anwendbarkeit der §§ 277 bis 279 jeweils einen Gebrauch zur Täuschung gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft voraussetzten. Die beabsichtigte Vorlage – beispielsweise in einer privat geführten Apotheke oder in der Gastronomie – war dabei eben tatbestandlich nicht umfasst (LG Osnabrück, Beschluss v. 26.10.2021, Az. 3 Qs 38/21).

Andere Oberlandesgerichte, insbesondere das OLG Karlsruhe (Beschluss vom 26.07.2022, Az. 2 Rv 21 Ss 262/22), hatten eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung nach § 267 StGB auch nach alter Rechtslage dennoch bejaht und den BGH nach § 121 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG um eine Entscheidung über die divergierenden Ansichten angerufen.

Zur Reform der Urkundendelikte vom 24. November 2021

Den Defiziten des – aus Sicht weiter Teile der Literatur und Rechtsprechung – „unvollständig[en]“ (vgl. Hoven/Weigend, KriPoZ 6/2021) Anwendungsbereichs der Urkundendelikte wurde mit der Neufassung der Straftatbestände der §§ 275, 277 – 279 ff. StGB durch das „Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ v. 24. November 2021 entgegengetreten.

Im Zuge der Reform der §§ 277 – 279 StGB wurde insbesondere die ausschließliche Täuschungsbeschränkung gegenüber Behörden oder Versicherungsgesellschaften gestrichen und der Anwendungsbereich auf den gesamten „Rechtsverkehr“ (vgl. beispielsweise § 279 StGB n.F.) erweitert.

Der Begriff des „Rechtsverkehrs“ wird weit verstanden, sodass nunmehr auch die in der COVID-19 Pandemie relevant gewordenen Fälle der beabsichtigten Nutzung von Impfausweisen in der Gastronomie, in Unterhaltungseinrichtungen sowie am Arbeitsplatz erfasst werden. Die Grenze des Anwendungsbereichs des Rechtsverkehrs ist dann zu ziehen, wenn lediglich zwischenmenschliche Reaktionen des privaten Bereiches hervorgerufen werden, die nicht der Erfüllung einer Rechtspflicht dienen oder die Einforderung dieser darstellen. Die Grenzen verlaufen hier aber fließend, sodass eine Abgrenzung erschwert ist.

Zudem pönalisiert § 275 Abs. 1 lit.a StGB nunmehr bereits das vorbereitende Herstellen eines unrichtigen Impfausweises, indem der Täter in einem Blankett-Impfausweis eine nicht durchgeführte Schutzimpfung dokumentiert oder einen auf derartige Weise ergänzten Blankett-Impfausweis sich oder einem anderen verschafft, zum Kauf anbietet, verwahrt oder einem anderen überlässt (Beschaffung von Blankodokumenten). Damit hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Vorbereitung der Fälschung eines unrichtigen Impfausweises erheblich vorverlagert.

Konsequenzen für Altfälle vor dem 24. November 2021

Die konkreten Entscheidungsgründe des BGH wurden zum Zeitpunkt der Erstellung des Blogbeitrags noch nicht veröffentlicht. Dennoch wird die Entscheidung wohl zur Folge haben, dass nunmehr für noch offene Altfälle vor dem 24. November 2021 eine Urkundenfälschung gem. § 267 StGB und damit eine Strafbarkeit in Betracht kommt, sofern im Zuge der COVID-19 Pandemie Impfpässe verfälscht wurden.

Damit ist aber auf folgende Besonderheit hinzuweisen: Die Fälschung von Gesundheitszeugnissen gem. § 277 StGB a.F. (zur Täuschung gegenüber Behörden oder Versicherungen) sah einen Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor. Die Urkundenfälschung gem. § 267 StGB sieht jedoch einen im Vergleich erhöhten Strafrahmen von bis fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor.

Offen bleibt dadurch die Frage, ob der Strafrahmen des § 277 StGB a.F., gerade im Zusammenhang mit der Fälschung von Gesundheitszeugnissen, nicht den Strafrahmen der Urkundenfälschung gem. § 267 StGB beschränken muss. In Betracht käme hier eine Art analoge Strafrahmenbegrenzung im Verhältnis zu den §§ 277 StGB a.F. und § 267 StGB. Zu dieser denkbaren Strafrahmenbegrenzung hat sich der BGH bisher nicht geäußert.

Die Kanzlei Burgert Krötz Rechtsanwälte verteidigt regelmäßig strafrechtliche Vorwürfe, die im Zuge der Corona-Pandemie erhoben werden (insbesondere Subventionsbetrug durch sog. Corona-Beihilfen und Impfpassfälschungen).