Änderungen der strafrechtlichen Sanktionsregelungen

Am 19. Juli 2022 veröffentlichte das Bundesjustizministerium (BMJ) einen Referentenentwurf zur Überarbeitung des strafrechtlichen Sanktionenrechts. Im Fokus stehen vor allem eine radikale Kürzung der Ersatzfreiheitsstrafe sowie Strafschärfungen.

Die Ersatzfreiheitsstrafe, § 43 StGB

Gemäß § 43 StGB tritt an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe eine Freiheitsstrafe. Einem Tag Freiheitsstrafe entspricht einem Tagessatz und das Mindestmaß für eine solche Ersatzfreiheitsstrafe ist ein Tag.

Sprich: Eine Ersatzfreiheitsstrafe wird dann vollstreckt, wenn eine verhängte Geldstrafe nicht gezahlt wird. Bisher gilt für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 S.2 StGB ein Umrechnungsfaktor von 1:1.

Aus 1:1 soll laut Referentenentwurf 2:1 werden, denn die Ersatzfreiheitsstrafe soll nach BMJ halbiert werden. Bislang gilt Folgendes: Wird ein Täter zu 30 Tagessätzen verurteilt und zahlt diese nicht, muss er ersatzweise 30 Tage in Haft. Nach dem neuen Entwurf entsprechen 30 nicht gezahlte Tagessätze nur noch 15 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Auch die mögliche Haftalternative, beispielsweise durch die Erbringung sozialer Arbeit, soll halbiert werden: Es müssen nur noch halb so viele Arbeitsstunden erbracht werden, mit denen die Ersatzfreiheitsstrafe abgearbeitet werden kann.

Hintergrund dieses Vorschlages ist die Annahme, dass der Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen keinen Beitrag zur Resozialisierung leistet. Zudem soll die Änderung zur Entlastung der Staatskasse führen, da deutlich weniger Haftplätze belegt wären.

Vor allem soll die mit der Vollstreckung verbundene Strafbelastung mehr an der ursprünglich verhängten Geldstrafe ausgerichtet werden.

Das BMJ erhofft sich zusätzlich, dass die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe es Personen erleichtert, eine Freiheitsstrafe vollständig abzuwenden. Der Grundgedanke der Halbierung liegt auch darin, dass Täter motiviert werden sollen, eine gemeinnützige Arbeit auszuführen. Die Halbierung gilt auch für die Erbringung sozialer Arbeit.

Strafschärfung, § 46 Abs. 2 StGB

In § 46 Abs. 2 StGB werden ausdrücklich Umstände genannt, welche bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Darunter zählen Beweggründe und Ziele des Täters, besonders rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Motive. Durch die Reform des BMJ sollen nun auch ,,geschlechtsspezifische“ und ,,gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Beweggründe von den Gerichten frühzeitig strafschärfend berücksichtigt werden.

Der Begriff ,,geschlechtsspezifisch“ soll die unmittelbar auf Hass gegen Menschen eines bestimmten Geschlechts beruhenden Beweggründe erfassen und die Fälle, bei denen die Tat handlungsleitend von der Vorstellung geschlechtsbezogener Ungleichwertigkeit bestimmt ist.

Weitere Auflagen und Weisungen im Sanktionsrecht

Der Entwurf des BMJ sieht vor, dass künftig im Rahmen der der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56c Abs.2 StGB) und der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59a Abs.2 StGB) eine ambulante Therapiezuweisung ermöglicht werden. Der Täter solle sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln lassen können.

Bei einer Verwarnung mit Strafvorbehalt soll es künftig die Möglichkeit einer Anweisung einer verwarnten Person in Form einer Arbeitsauflage geben. Die Arbeitsstunden errechnen sich hierbei nach der maximal zu verhängenden Geldstrafe, sollen nicht unzumutbar sein oder außer Verhältnis zur Bedeutung der begangenen Tat stehen.

Laut Entwurf des BMJ sollen Anordnungsvoraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB strenger gefasst werden, da sich die Zahl der Personen in Entziehungsanstalten in den letzten 20 Jahren verdoppelt hat.

Ziel des BMJ ist es, den Fokus wieder auf tatsächlich behandlungsbedürftige Personen zu legen.

Der regelmäßige Zeitpunkt der Reststrafaussetzung in § 67 Abs.2 und 5 StGB soll an den bei der Strafvollstreckung üblichen Zweidrittelzeitpunkt aus § 57 Abs.1 StGB angepasst werden.

Darüber hinaus sollen die gesetzlichen Anforderungen an die Feststellung des ,,Hangs“ zum übermäßigen Rauschmittelkonsum restriktiver gefasst werden. Es soll eine Kausalitätsbeziehung zwischen dem ,,Hang“ zum Rauschmittelkonsum und der Anlasstat vorliegen. Ausreichend ist dann nicht mehr, dass der Behandlungserfolg in hinreichend konkrete Aussicht gestellt wird. Es sollen vielmehr tatsächliche Anhaltspunkte für einen Behandlungserfolg vorliegen.