Abrechnungsbetrug in der Physiotherapie: Erscheinungsformen und Konsequenzen

Auffällige Fallzahlen der vergangenen Jahre – etwa dokumentiert in der sogenannten „Betrügerliste“ der KKH Allianz – haben dazu geführt, dass Physiotherapeuten verstärkt ins Visier der Krankenkassen und infolgedessen auch der Strafverfolgungsbehörden geraten. Ausgangspunkt ist hierbei, dass Versicherte zunehmend standardisierte Fragebögen der Krankenkassen erhalten, in denen sie Angaben zu Art, Umfang und Zeitpunkt ihrer Behandlungen machen sollen. Mit dieser Kontrollpraxis, initiiert durch die Krankenkassen, steigt nicht nur die Zahl der Rückforderungsansprüche, sondern auch die Zahl strafrechtlicher Ermittlungsverfahren gegen Physiotherapeuten – insbesondere dann, wenn Unstimmigkeiten zwischen den Patientenangaben und den abgerechneten Leistungen festgestellt werden.

Physiotherapeuten sind dem Grundsatz nach verpflichtet, ihre Tätigkeit auf Grundlage des bundesweit geltenden Vertrages gemäß § 125 SGB V auszuüben, der die Versorgung mit Heilmitteln sowie deren Vergütung regelt. Die Praxis lehrt jedoch, dass Fehler in der Abrechnung mannigfaltig auftreten und gravierende Konsequenzen für die Tätigkeit des Physiotherapeuten mit sich bringen können.

Dieser Beitrag knüpft an unsere früheren Ausführungen zum ärztlichen Abrechnungsbetrug an und beleuchtet die strafrechtlichen Risiken im Bereich der physiotherapeutischen Versorgung. Dabei gehen wir auf typische Erscheinungsformen potenziell strafbarer Abrechnungspraxis ein und zeigen auf, welche Konsequenzen bei einer fehlerhaften Abrechnungspraxis drohen.

Häufige Erscheinungsformen

Folgende Konstellationen können strafrechtlich relevant sein und eine Strafbarkeit wegen Betrugs gemäß § 263 StGB begründen:

1. Behandlungen ohne erforderliche Zertifizierung oder Qualifikation

Ein häufiger Fall ist die Durchführung zertifikatspflichtiger Leistungen (z. B. manuelle Therapie, Lymphdrainage oder PNF) durch nicht ausreichend qualifiziertes Personal. Auch die fortgesetzte Abrechnung unter dem Namen ausgeschiedener zertifizierter Mitarbeiter kann strafbar sein.

2. Abrechnung nicht erbrachter Leistungen („Luftleistungen“)

Hier werden Behandlungen vollständig abgerechnet, obwohl sie nicht oder nur teilweise erbracht wurden. Das Fälschen von Patientenunterschriften oder das Manipulieren von Behandlungsnachweisen kann zudem den Straftatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) erfüllen.

3. Abweichen von der ärztlichen Verordnung

Es wird eine andere als die ärztlich verordnete Therapie erbracht – etwa durch „Tauschangebote“, bei denen Patienten anstelle der verordneten Behandlung eine andere Leistung vom Physiotherapeuten erhalten.

4. Einsatz nicht zugelassener Hilfskräfte oder unqualifizierter Mitarbeiter

Zertifikatspflichtige Behandlungen werden an nicht entsprechend qualifizierte Mitarbeiter delegiert dass Hausbesuche werden von unqualifiziertem Personal (z.B. Praktikanten) durchgeführt. Beides kann eine Strafbarkeit begründen.

5. Abrechnung trotz fehlender Praxiszulassung bei grenzüberschreitender Tätigkeit

Insbesondere in Grenzregionen zwischen Bundesländern kann die fehlende Zulassung im jeweils anderen Bundesland dazu führen, dass Abrechnungen von Physiotherapeuten als unrechtmäßig bewertet werden. Dabei kann es zur kuriosen Konstellation kommen, dass der Weg in das andere Bundesland kürzer ist als der Weg zu Patienten im Bereich der Zulassung.

6. Einsatz eines abwesenden fachlichen Leiters

Der fachliche Leiter einer physiotherapeutischen Praxis muss grundsätzlich persönlich präsent und in der Lage sein, die fachliche Aufsicht zu gewährleisten. Ist der fachliche Leiter dauerhaft abwesend – etwa durch Krankheit, Urlaub oder weil er lediglich „pro forma“ als Leiter fungiert –, fehlt es an der erforderlichen ordnungsgemäßen Praxisführung.

7. Unzulässige Zusammenarbeit von Leistungserbringern und Vertragsärzten (§ 128 SGB V)

§ 128 SGB V untersagt bestimmte Formen der Kooperation zwischen Physiotherapeuten und Vertragsärzten, um Interessenkonflikte und wirtschaftliche Abhängigkeiten zu verhindern. Verboten sind beispielsweise Zuweisungen gegen Entgelt, Kick-Back-Zahlungen oder die Beteiligung an gemeinsamen wirtschaftlichen Unternehmungen, wenn diese Einfluss auf die Verordnungspraxis haben könnten. Der Vorwurf besteht darin, dass durch solche Absprachen der freie Behandlungswille bei der Verordnung beeinflusst wird. Wird auf Basis solch unzulässiger Kooperationen abgerechnet, droht nicht nur ein sozialrechtlicher Regress, sondern auch eine Strafbarkeit wegen Betrugs oder Vorteilsgewährung für beteiligte Ärzte und Physiotherapeuten (sog. Korruption im Gesundheitswesen gem. §§ 299a/b StGB).

8. Leistungsmissbrauch durch unzulässige Verwendung von Krankenversichertenkarten

In dieser Konstellation werden Leistungen unter Nutzung der Krankenversichertenkarte einer Person abgerechnet, ohne dass diese tatsächlich behandelt wurde. Häufig handelt es sich um Fälle, in denen Angehörige, Freunde oder andere Dritte die Karte verwenden, um Leistungen zu „übertragen“.

Was führt zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen ärztlichen Abrechnungsbetrug?

Ein Ermittlungsverfahren wegen ärztlichen Abrechnungsbetrugs wird in der Regel eingeleitet, wenn ein sog. Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO) besteht. Dieser kann sich aus verschiedenen Quellen und Umständen ergeben:

Neben den Verdachtsmomenten, die durch die zunehmende Kontrollpraxis der Krankenkasse abgeschöpft werden, stammen Hinweise auf betrügerischeres Verhalten nicht selten von Mitbewerbern, die sich durch unlautere Methoden benachteiligt fühlen. Häufig stammen Hinweise auch direkt von Patienten, wenn ihnen ungewöhnliche Angebote gemacht werden oder von Mitarbeitern der Praxis (sog. Whistleblower). In diesem Kontext sind auch anonyme Hinweismeldungen möglich.

Zu beachten gilt, dass die systematische Abweichung von Durchschnittswerten oder formale Fehler in der Abrechnung bereits interne Prüfmechanismen bei den Krankenkassen auslösen. Bei konkreten Verdachtsmomenten leiten diese die Informationen an die Strafverfolgungsbehörden. Erhärtet sich der Verdacht und wiegt der Fall für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung schwer, erstatten die Krankenkassen Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft.

In vielen Fällen erfahren betroffene Physiotherapeuten und Physiotherapeutinnen erst durch eine Praxis- oder Wohnungsdurchsuchung vom Ermittlungsverfahren. Diese Maßnahmen erfolgen in der Regel frühzeitig im Ermittlungsverfahren, um Beweise zu sichern.

Welche Konsequenzen drohen bei dem Vorwurf eines Abrechnungsbetrugs gem. § 263 StGB?

Bei dem Vorwurf des Abrechnungsbetruges nach § 263 StGB droht grundsätzlich eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren. In besonders schweren Fällen droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren (z. B. durch den Vermögensverlust großen Ausmaßes oder gewerbsmäßigem Handeln). Neben der strafrechtlichen Verfolgung treten in aller Regel auch sozialrechtliche Rückforderungsansprüche. Sofern keine außergerichtliche Einigung mit dem Leistungsträger erzielt werden kann, werden Rückforderungsansprüche gerichtlich geltend gemacht. Ferner droht ein Entzug der Zulassung unter Verweis auf eine sog. „Unzuverlässigkeit“. Der Verlust der Zulassung führt in der Regel zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage für den Physiotherapeuten.

Häufig werden Verstöße auch den Berufsverbänden oder Aufsichtsbehörden gemeldet. Der neben die strafrechtlichen, sozial- und berufsrechtlichen Konsequenzen einhergehende Rufschaden ist dabei auch nicht zu unterschätzen. Eine Verurteilung kann das Vertrauen von Patienten, Kooperationspartnern und Mitarbeitenden dauerhaft und irreversibel schädigen.

Fazit

Bundesweit wird zunehmend strafrechtlich gegen Abrechnungsbetrug im Heilmittelbereich vorgegangen. In Bayern wurde dieser Kurs seit 2021 durch die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften und einer Zentralstelle in Nürnberg nochmals verschärft – mit spürbaren Folgen für betroffene Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten. Aufgrund der Komplexität und des Zusammenspiels zwischen Straf- und Sozialrecht ist es unerlässlich, dass sich eine spezialisierte Kanzlei mit den erhobenen Vorwürfen auseinandersetzt.

Die Strafverteidiger der Kanzlei Bürgert Krötz Rechtsanwälte PartGmbB verteidigen seit mehr als zehn Jahren bundesweit Physiotherapeuten gegen den Vorwurf des Abrechnungsbetrugs. Als spezialisierte Kanzlei behalten wir auch die berufsrechtlichen Folgen im Blick und verhandeln bei Bedarf auch mit den Krankenkassen oder Kassenärztliche Vereinigungen Vereinbarungen, die sich im Falle eines Strafverfahrens günstig auswirken und auch die Einleitung weiterer berufsrechtlicher Konsequenzen eindämmen können.

Auch wenn Sie ihre Praxis für Physiotherapie nicht in Bayern führen, können wir eine effektive Verteidigung ihrer Interessen bundesweit gewährleisten. In diesem Kontext bieten wir auch unkomplizierte Online-Termine und Besprechungen an, die eine Anfahrt obsolet machen. Kontaktieren Sie uns gerne!