Die Abrechnung zahnärztlicher Leistungen ist besonders komplex und unterliegt spezifischen Regelungen, die sich von denen der (allgemeinen medizinischen) ärztlichen Behandlung unterscheiden. Zahnärzte sehen sich mit besonderen Herausforderungen konfrontiert – sowohl in der fehlerfreien Abrechnung als auch im Umgang mit möglichen Betrugsvorwürfen. Gerade ein Abrechnungsbetrug durch Zahnärzte kann schwerwiegende rechtliche Folgen haben. Ein erfahrener und spezialisierter Anwalt für Abrechnungsbetrug kann hier entscheidend zur Verteidigung beitragen.
Besondere Herausforderungen bei der Abrechnung und Verteidigung
Ein entscheidender Unterschied zur ärztlichen Abrechnung (https://kanzlei-burgert.de/aerztlicher-abrechnungsbetrug-erscheinungsformen-und-strafbarkeitsrisiken/) besteht darin, dass die Kostenübernahme in der Zahnmedizin nicht von der Behandlungsmethode, sondern vom Befund abhängig ist. Für jede Diagnose existiert eine festgelegte Regelversorgung mit einem festen Zuschuss der gesetzlichen Krankenkassen.
Diese Struktur unterscheidet Betrugsfälle in der Zahnarztabrechnung erheblich von denen in der allgemeinen ärztlichen Abrechnung und stellt sowohl Zahnärzte als auch Abrechnungsprüfer vor besondere Herausforderungen. Das liegt nicht zuletzt an der Komplexität des ärztlichen Gebührenrechts, das oft auslegungsbedürftig, teilweise veraltet und damit anfällig für versehentlich fehlerhafte Abrechnungen ist.
Ein wesentlicher Faktor ist die Abrechnung von Materialkosten, insbesondere bei Zahnersatz. Hinzu kommt die Unterscheidung zwischen gesetzlichen und privaten Versicherungen sowie die mehrstufige Natur vieler zahnmedizinischer Behandlungen. Die Nachvollziehbarkeit der Abrechnung wird dadurch erschwert.
Wir sind eine im Medizinstrafrecht spezialisierte Kanzlei und mit den Feinheiten des zahnärztlichen Gebührenrechts vertraut. Unsere Erfahrung zeigt, dass nur ein auf Abrechnungsbetrug spezialisierter Anwalt in solchen Fällen eine rechtssichere Beratung und erfolgsversprechende Verteidigungsstrategie gewährleisten kann.
Abrechnungsbetrug durch Zahnärzte: Typische Fälle
„Luftleistungen“ in der Zahnarztpraxis
Ein klassischer Fall von Abrechnungsbetrug bei Zahnärzten kann die Abrechnung von nicht bzw. nicht vollständig erbrachter Leistungen (sog. „Luftleistungen“) bezeichnet werden. In Zahnarztpraxen ist ein typischer Fall die Abrechnung von höher vergüteten Parodontose- Behandlungen, die von Zahnärzten selbst zu erbringen sind, tatsächlich wurde jedoch eine Zahnreinigung durch eine Zahnarzthelferin durchgeführt. Zwar können auch ermächtigte Ärzte einzelne Leistungen an nichtärztliche Mitarbeiter delegieren wie etwa Leistungen, die weder wegen ihrer Art noch wegen ihres Gefährdungspotentials für den Patienten oder auch der Schwere des Krankheitsfalls von einem Arzt höchstpersönlich erbracht werden müssen.
Fehlende Transparenz und unzureichende Dokumentation können schnell zu strafrechtlichen Ermittlungen führen.
Kick-Back Zahlungen
Der Globudent-Skandal aus dem Jahr 2002 ist ein bekanntes Beispiel für Abrechnungsbetrug im Bereich der Zahnlaborleistungen durch sogenannte Kick-Back-Zahlungen. Ein Dentallabor gewährte Zahnärzten 20 % Rabatt auf Zahnersatzprodukte, die aufgrund niedriger Produktionskosten in China hergestellt wurden.
Da Zahnärzte verpflichtet sind, erhaltene Rabatte an Patienten oder Krankenkassen weiterzugeben, wurde der Betrug folgendermaßen organisiert: Das Dentallabor stellte Rechnungen über den höchstmöglichen abrechnungsfähigen Betrag (BEL II) aus. Die Zahnärzte beglichen diese Rechnungen und reichten sie zur Erstattung bei den Krankenkassen und Patienten ein. Am Monatsende zahlte das Labor den Zahnärzten 20 % der Nettoleistungssumme als verdeckte Rückvergütung aus.
Durch dieses kollusive System wurde die gesetzliche Pflicht zur Weitergabe von Rabatten umgangen, was zu überhöhten Abrechnungen führte und damit ein Abrechnungsbetrug darstellt.
Abrechnung von Laborleistungen
Ein Zahnarzt kann eine Täuschungshandlung und damit einen Abrechnungsbetrug begehen, indem er Laborleistungen, die er extern in Auftrag gegeben hat, als eigene Leistung abrechnet, obwohl die Forderung ihm unwirksam und verdeckt vom Labor abgetreten wurde.
Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf liegt eine strafbare Täuschung jedoch nur dann vor, wenn der eindeutige Kernbereich der Gebührenordnung für Ärzte verletzt wird (OLG Düsseldorf Beschl. v. 20.1.2017 – 1 Ws 482/15, BeckRS 2017, 100462). Dieser Kernbereich umfasst das Verbot der Abrechnung von Speziallaboranalysen, wenn der Zahnarzt lediglich als Käufer in einer Laborgemeinschaft fungiert (vgl. hierzu Magnus, in: Tsambikakis/Rostalski, Medizinstrafrecht, 1. Aufl. 2023, § 263 StGB Rn. 56). Ist die GOZ in Randbereichen mehrdeutig und die Abrechnung auf einer vertretbaren Auslegung der Privatliquidation gestützt, handelt es sich nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB, sondern um eine rechtliche Interpretation ohne strafrechtliche Relevanz.
Ein Verteidigungsansatz ergibt sich hier aus der uneinheitlichen Auslegung des § 4 Absatz 2 Satz 1 GOZ, wonach der Zahnarzt Gebühren nur für selbständige zahnärztliche Leistungen berechnen kann, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden.
Die divergierenden Auffassungen zur Anwesenheitspflicht des Arztes im Labor zeigen, dass keine eindeutige rechtliche Grundlage existiert. Die restriktive Ansicht fordert eine persönliche Anwesenheit des Arztes auch bei vollautomatisierten Abläufen, um vermeintlich missbräuchliche Abrechnungen zu verhindern. Die extensivere Auffassung hingegen hält eine kurzfristige Erreichbarkeit des Arztes sowie eine nachträgliche persönliche Validierung für ausreichend und argumentiert mit der praktischen Notwendigkeit und Effizienz im medizinischen Alltag.
Da der BGH in einem vergleichbaren Fall entschied, dass keine Täuschung vorliegt, wenn sich ein Arzt ausdrücklich auf die Auslegung der Bundesärztekammer stützt und transparente Hinweise zur Abrechnung gibt, lässt sich eine Strafbarkeit wegen Betrugs entkräften (BGH Urt. v. 10.5.2017 – 2 StR 438/16, BeckRS 2017, 120760).
Zudem fehlt es regelmäßig am Vorsatz, wenn der Arzt davon ausging, dass seine Abrechnungspraxis rechtlich zulässig ist. Da die obergerichtliche Rechtsprechung hierzu nicht abschließend geklärt ist, besteht für die Verteidigung die Möglichkeit, auf eine vertretbare Rechtsauffassung zu verweisen und eine Täuschungshandlung auszuschließen.
Welche Strafen drohen bei Abrechnungsbetrug durch Zahnärzte?
Der Abrechnungsbetrug durch Zahnärzte wird strafrechtlich als Betrug (§ 263 StGB) gewertet und kann mit hohen Strafen geahndet werden:
- Geldstrafe: Je nach Schwere des Falls kann eine hohe Geldstrafe verhängt werden.
- Freiheitsstrafe: In schweren Fällen (etwa bei Gewerbsmäßigkeit) drohen bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe.
- Zivilrechtliche und sozialrechtliche Konsequenzen: Krankenkassen oder betroffene Patienten können Schadensersatz fordern.
Angesichts der möglichen Strafen ist die frühzeitige Einschaltung eines spezialisierten und erfahrenen Anwalts für eine erfolgreiche Verteidigung zwingend.
Welche berufsrechtlichen Folgen drohen bei einem Abrechnungsbetrug?
Neben strafrechtlichen Konsequenzen drohen Zahnärzten, die des Abrechnungsbetrugs beschuldigt werden, schwerwiegende berufsrechtliche Sanktionen. Selbst wenn kein Betrug nachgewiesen wird, kann eine fehlerhafte oder unzulässige Abrechnung zu Disziplinarmaßnahmen durch Zahnärztekammern oder die Kassenärztliche Vereinigung (KV) führen.
1. Entzug der Kassenzulassung
Zahnärzte mit Kassenzulassung unterliegen der Überwachung durch die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZV). Ein Verstoß gegen Abrechnungsregeln kann dazu führen, dass die KZV:
- Honorarkürzungen oder Rückforderungen erhebt,
- ein Berufsgerichtsverfahren einleitet oder
- ein Berufsverbot oder den Entzug der Kassenzulassung beantragt.
Der Entzug der Kassenzulassung bedeutet, dass der Zahnarzt keine gesetzlich versicherten Patienten mehr behandeln darf – mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen für die Praxis.
2. Berufsrechtliche Verfahren durch die Zahnärztekammer
Unabhängig von strafrechtlichen Ermittlungen kann die Zahnärztekammer ein berufsrechtliches Verfahren gegen den Zahnarzt einleiten. Dies geschieht häufig aufgrund einer Anzeige durch Krankenkassen, Patienten oder Mitbewerber.
Mögliche Sanktionen durch die Zahnärztekammer:
- Rüge oder Verwarnung
- Geldbußen bis zu 50.000 €
- Beschränkung oder Entzug der Approbation
- Ausschluss aus der Zahnärztekammer
Der schwerwiegendste Eingriff ist der Entzug der Approbation nach § 5 Bundeszahnärzteordnung (BZÄO). Dies kann erfolgen, wenn der Zahnarzt als „unwürdig oder unzuverlässig“ für den Beruf angesehen wird, etwa bei wiederholtem Abrechnungsbetrug.
3. Eintrag ins Arztregister und negative Auswirkungen auf die Zukunft
Ein disziplinarrechtliches Verfahren kann außerdem dazu führen, dass der Zahnarzt:
- Im Arztregister negativ vermerkt wird, was spätere Kassenzulassungen erschwert
- Seinen Status als Vertragszahnarzt verliert, was die Abrechnung mit Krankenkassen unmöglich macht
- Erhebliche Image-Schäden erleidet, die sich auf Privatpatienten und Praxisumsätze auswirken
Verteidigung in Fällen des Abrechnungsbetrugs durch Zahnärzte
Unsere Verteidigungsansätze sind ganzheitlich. Das bedeutet, dass wir auch die existenziellen außerstrafrechtlichen Folgen, wie Schadensersatzzahlungen oder berufsrechtliche Konsequenzen, mit in die Verteidigungsstrategie einbeziehen. Grundsätzlich beginnt eine anwaltliche Beratung im Idealfall bereits vor einer möglichen Strafbarkeit im Rahmen einer Präventivberatung. Im Folgenden finden Sie einen Überblick unserer Tätigkeiten:
1. Präventive Beratung: Abrechnungsfehler vermeiden
Viele Zahnärzte geraten unbeabsichtigt in den Verdacht des Abrechnungsbetrugs, weil sie sich in einem komplexen System aus Gebührenordnungen, Krankenkassenregeln und ständig wechselnden rechtlichen Vorschriften bewegen. Eine spezialisierte Compliance-Beratung hilft, potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.
Ein Anwalt für Abrechnungsbetrug kann bei folgenden präventiven Maßnahmen unterstützen:
- Abrechnungsprozesse rechtssicher gestalten
- Praxisinterne Schulungen für Zahnärzte und Mitarbeiter
- Richtige Delegation von Leistungen sicherstellen
- Vermeidung fehlerhafter Dokumentationen
- Korrekte Abrechnung von Laborleistungen gewährleisten
2. Verteidigung im Ermittlungsverfahren und Strafverfahren
Sobald Zahnärzte mit einem Betrugsvorwurf konfrontiert werden, ist schnelles Handeln gefragt. Ermittlungsverfahren und Strafverfahren wegen Abrechnungsbetrugs in der Zahnarztpraxis können gravierende Folgen haben – von Geld- und Freiheitsstrafen bis hin zu berufsrechtlichen Sanktionen wie dem Verlust der Kassenzulassung oder dem Widerruf der Approbation.
Als hochspezialisierte Kanzlei und Strafverteidiger für Abrechnungsbetrug:
- prüfen wir die Vorwürfe und entwickeln gemeinsam mit dem Mandanten eine effektive Verteidigungsstrategie.
- übernehmen wir die Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls der kassenärztlichen Vereinigung oder Krankenkasse, um an beiden „Fronten“ ein effektives Ergebnis zu erzielen.
- sind wir aufgrund unserer Spezialisierung und Größe des Teams in der Lage auch umfangreiche Aktenbestandteile, wie einzelne Abrechnungen zu analysieren, umfassende Rechtsprechung zu prüfen und dann eine erfolgsversprechende Stellungnahme abzugeben.
- ist unser Ziel immer die Einstellung des Verfahrens.
3. Vertretung gegenüber Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen
Neben strafrechtlichen Konsequenzen drohen Zahnärzten oft auch Rückforderungsansprüche von Krankenkassen oder Maßnahmen durch die Kassenärztliche Vereinigung. Eine fehlerhafte Abrechnung kann dazu führen, dass Honorarbescheide korrigiert und bereits erhaltene Gelder zurückgefordert werden.
In diesen Fällen unterstützt ein spezialisierter Anwalt für Abrechnungsbetrug wie folgt:
- Prüfung von Rückforderungen.
- Verhandlungen mit Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen.
- Einspruch gegen Honorarkürzungen.
4. Vertretung in berufsrechtlichen Verfahren
Wir vertreten auch in berufsrechtlichen Verfahren und unterstützen unsere Mandanten dabei, dass die berufsrechtliche Folgen im Idealfall ausbleiben oder minimal sind:
- Verteidigung im Zulassungs- und Approbationswiderrufsverfahrens
- Widerspruchsverfahren gegen verwaltungsrechtliche Sanktionen
Fazit
Die Verteidigung bei Fällen des Abrechnungsbetrugs erfordert eine planvolle und detaillierte Verteidigungsstrategie. Häufig sind die Vorwürfe rechtlich falsch eingeordnet oder ein angeblicher Schaden falsch berechnet. Der Beitrag hat gezeigt, dass gerade eine Prävention und Sensibilisierung mit dem Thema unerlässlich ist.
Sollten Sie Klärungsbedarf haben oder sollte gegen Sie bereits ein Ermittlungs- oder Strafverfahren wegen Abrechnungsbetrug eingeleitet worden sein, zögern Sie nicht, und kontaktieren Sie Burgert Krötz Rechtsanwälte PartGmbB. Unsere Anwälte sind auf das Medizinstrafrecht spezialisiert. Dr. Vincent Burgert hat zu einem medizinstrafrechtlichen Thema promoviert und befasst sich seit über 15 Jahren schwerpunktmäßig mi dem Medizinstrafrecht. Unsere Anwälte publizieren regelmäßig in medizinstrafrechtlichen Fachzeitschriften.
Gerne können wir Sie unterstützen!